Die mikrobielle Biodiversität für die Land- und Ernährungswirtschaft nutzbar machen

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Die mikrobielle Biodiversität hat eine fundamentale Bedeutung für die Funktion von Ökosystemen. Wichtige Parameter in der Land- und Ernährungswirtschaft können durch mikrobielle Gemeinschaften (Mikrobiome) signifikant positiv beeinflusst werden. Betroffen sind zum Beispiel Pflanzen-, Tier- und Menschengesundheit, natürliche Schädlingskontrolle, Zersetzung von organischem Material, Nährstoffkreisläufe sowie die Veredelung landwirtschaftlicher Erzeugnisse durch Fermentation.

Die Charakterisierung von Mikrobiomen, die Identifikation von Schlüsselarten und das Verständnis ihrer Funktionen und Interaktionen bilden die Grundlage für die Entwicklung von Strategien für die gezielte Nutzung und Kontrolle der mikrobiellen Biodiversität in der Land- und Ernährungswirtschaft. Mittels gezielter Beeinflussung der Mikrobiome (microbiome engineering) sollen die vielfältigen positiven Effekte des Einsatzes von Mikroorganismen in der Land- und Ernährungswirtschaft nutzbar gemacht werden. Damit können Erträge erhöht und gleichzeitig Dünger- und Pestizideinsatz reduziert werden, wodurch Böden und Umwelt geschont und die Nachhaltigkeit gestärkt werden. Bei Lebensmitteln können durch die Kontrolle des Mikrobioms die Fermentationsprozesse oder Haltbarmachung von Lebensmitteln beeinflusst und damit die Qualität, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit von landwirtschaftlichen Erzeugnissen verbessert werden.

Wissenschaftliche Ziele und Forschungsfragen

  1. Mikrobielle Biodiversität des Bodens: Welchen Einfluss haben unterschiedliche Anbausysteme und Techniken auf die Zusammensetzung der Mikrobiome im Agrarökosystem? Gibt es einzelne Arten oder Artengruppen, die sich als zuverlässige Indikatoren für die Bodenfruchtbarkeit eignen? Kann man die Nachhaltigkeit und Selbstregulation des Bodens mittels gezielter Beeinflussung der Mikrobiome (boden- und pflanzenassoziiert) und einer Verbesserung derer Ökosystemfunktionen fördern?
  2. Gezielte Förderung nützlicher Eigenschaften der Mikrobiome: Was sind die Voraussetzungen dafür, dass nützliche Mikroorganismen gefördert bzw. eingesetzt werden können, die z.B. Pathogene, Krankheiten und Schädlinge unterdrücken (Conservation biocontrol, gezielte Freilassungen, etc.) oder die Gesundheit von Menschen, Pflanzen und Tieren positiv beeinflussen? Lassen sich Ertragssteigerungen und Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes erreichen?
  3. Neue Beziehungen und Funktionen: Welche bisher nicht genutzten Organismeninteraktionen in den Ökosystemen der Land- und Ernährungswirtschaft können gezielt zur Steigerung der Nachhaltigkeit, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette genutzt werden (Pathogene, Destruenten, Antagonisten, (Schutz)-Kulturen, …)?
  4. Charakterisierung und Erhalt der Biodiversität der Agroscope-Stammsammlungen: In Liebefeld, Wädenswil und Reckenholz bestehen mikrobielle Stammsammlungen. Die Genome der Stammsammlungen müssen charakterisiert werden (mit NGS), damit ihr immenses Potenzial überhaupt erkennbar wird und sie für die Land- und Ernährungswirtschaft gezielt eingesetzt werden können. Welche Biodiversität weisen sie auf und wie Schweiz-typisch sind diese? Welche Potenziale eröffnen sich aus der Kenntnis ihrer Eigenschaften zur Verbesserung der Produktqualität, der Lebensmittelsicherheit und der Gesundheit?
  5. Charakterisierung ausgewählter fermentierter Lebensmittel als gesamte Ökosysteme: Welche Arten bzw. Artengruppen können gezielt für die Steigerung der Qualität, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Erzeugnisse (z.B. Rohmilchkäse) eingesetzt werden? Wie kann die Ernährungsqualität (Bioverfügbarkeit, Stoffwechsel) von Lebensmitteln durch Fermentation erhöht werden?