Wenn Schadorganismen Kulturpflanzen befallen, können grosse Ernteverluste entstehen. Daher wird versucht, diese Kulturpflanzen zu schützen, unter anderem mit dem Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel (PSM). Die in den PSM enthaltenen Wirkstoffe können aber auch unerwünschte Auswirkungen auf Menschen und Nichtzielorganismen haben. 2017 hat der Bundesrat daher den «Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» verabschiedet, um den PSM-Einsatz sowie die damit verbundenen Risiken zu reduzieren.
Berechnung, Kennzahlen, Risiken
Im Rahmen der ZA-AUI erfassen die Landwirte, welche PSM sie zu welcher Zeit auf welcher Kultur und in welcher Dosierung anwenden. Daraus werden drei Kennzahlen für den PSM-Einsatz berechnet: die Anzahl Interventionen (also die Anzahl der Anwendungen), die totale Menge der angewandten Wirkstoffe und die Wirkstoffwahl. Alle Kennzahlen werden für jede Kultur sowie für jeden Pflanzenschutzmitteltyp (Herbizide = Unkrautbekämpfungsmittel; Fungizide = Mittel gegen Pilzkrankheiten; Insektizide = Mittel gegen Schadinsekten) separat ausgewertet.
Mit den Informationen über die PSM-Ausbringung kann in einem nächsten Schritt das Risiko für aquatische Organismen modelliert werden. Hierbei werden einerseits die Toxizität, die Anreicherungseigenschaften im Boden und die Abbauraten der eingesetzten Wirkstoffe berücksichtigt, andererseits aber auch die Anwendungsvorschriften von Produkten und die für die Schweiz typischen Standorteigenschaften. Im Gegensatz zu den anderen Agrarumweltindikatoren werden die Pflanzenschutzmittel-Indikatoren nicht für verschiedene Betriebstypen, sondern pro Kultur berechnet.
Die drei Kennzahlen zur Entwicklung des PSM-Einsatzes in der Schweiz liefern unterschiedliche Informationen (de Baan et al. 2015). Die «Anzahl Interventionen» gibt Auskunft darüber, wie häufig Pflanzenschutzmittel in einer Kultur eingesetzt werden. Für jeden Schlag wird berechnet, wie viele Spritz-Durchfahrten pro Jahr stattfinden. Die «Wirkstoffmenge» erfasst die Menge aller Pflanzenschutzmittelwirkstoffe, die pro Hektar und Jahr auf einen Schlag ausgebracht wird. Das «Wirkstoffranking» gibt Auskunft darüber, welche Wirkstoffe hauptsächlich eingesetzt werden.
Insgesamt bestehen grosse Unterschiede zwischen den Kulturen, wobei vor allem bei Spezialkulturen (Obst, Wein, Gemüse) häufiger und mehr Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen als bei Feldkulturen. Bei den Spezialkulturen ist die Datenbasis der ZA-AUI bislang eher schwach und sollte in Zukunft erweitert werden, um eine stabilere Grundlage für die Berechnung von Indikatoren zum PSM-Einsatz und den Risiken zu gewährleisten.
Die Risiken von PSM für aquatische Organismen werden mithilfe des Modells SYNOPS berechnet (Gutsche und Strassemeyer, 2007). SYNOPS wurde für die Schweiz angepasst und modelliert den Transport von PSM in Oberflächengewässer über verschiedene Eintragspfade, nämlich via Oberflächenabfluss, Erosion, Drainage und Lufttransport von Sprühnebel (de Baan, 2020). Die transportierte Menge an PSM hängt dabei von den Anwendungsbedingungen (Wirkstoffmenge, Zeitpunkt, Kultur, Auflagen zur Risikominderung), Wirkstoffeigenschaften (Abbaubarkeit, Mobilität) und Standorteigenschaften (Distanz zwischen Feld und Gewässer, Hangneigung, Bodentyp, Niederschlag, Temperatur, etc.) ab. Für jeden Wirkstoff wird dabei die erwartete Gewässerkonzentration (Exposition) berechnet und mit der Toxizität des Wirkstoffs ins Verhältnis gesetzt, um das Risiko zu erhalten:
Risiko = Exposition / Toxizität
Die Toxizität ist für jeden Wirkstoff aus standardisierten Laborexperimenten bekannt. Für akute Effekte wird die Toxizität oft als die Konzentration angegeben, bei der die Hälfte der Versuchsorganismen innerhalb eines bestimmten Zeitraums stirbt. Neben akuten Effekten werden auch Langzeiteffekte berücksichtigt, zum Beispiel eine mögliche verminderte Fortpflanzungsrate der Organismen. Die Toxizität wird für fünf Organismengruppen betrachtet, welche stellvertretend für das Ökosystem Oberflächengewässer stehen: Fische, Wasserflöhe, Zuckmückenlarven, Algen und Wasserlinsen.
Die Risiken können mittels SYNOPS für Einzelanwendungen oder ganze Spritzfolgen berechnet werden (also für alle Wirkstoffe, die im Laufe eines Jahres auf einem Feld ausgebracht werden). Somit lassen sich auch Effekte von Wirkstoffmischungen berücksichtigen.
Kontakt
Publikationen
SYNOPS – ein Modell zur Bewertung des Umwelt-Risikopotentials von chemischen Pflanzenschutzmitteln
Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd., 59 (9), 197-210.
Science of the Total Environment, 715, (1 May), 2020, 1-13.