Entdeckungsreise zu Selina und Sämi nach Seelisberg

Die erste Reise geht zu Selina und Sämi nach Seelisberg. Die beiden gewähren uns spannende Einblicke in ihre traditionelle Bergkäserei.

Die Mutschli-Profis

Mutschli-Profis

Es war unglaublich eindrücklich zuzuschauen, wie ein eingespieltes Team in Rekordzeit aus 1900 Liter Milch 432 Mutschli hervorzaubert. Selina hat mich gebeten, auch Vorschläge zu machen, was sich verbessern liesse. Ich konnte beim besten Willen nicht den kleinsten Mangel erkennen. Die Käserei ist einfach und sehr zweckmässig eingerichtet und wird gut «im Schuss gehalten»; die 40-jährige Käsewanne ist immer noch in einem Top-Zustand.

Die 4. Generation Aschwanden hat übernommen

Die 4. Generation Aschwanden hat übernommen

Mit der Käsefabrikation begann der Grossvater in den 1970-er Jahren. Der Urgrossvater hatte vorher die Milch zentrifugiert, um Rahm zu produzieren. Unter dem Vater (Hans, er ist Präsident der Fromarte, dem Dachverband der Schweizer Käsespezialisten) konnte die Produktion stark erhöht werden. Statt wie früher 1 Charge, werden heute tagtäglich 2-3 Chargen verarbeitet. Seit Anfang 2022 führt Selina zusammen mit ihrem Ehemann Sämi Raschle das Unternehmen. Heute werden 1.8 Millionen kg pro Jahr zu Mutschli (70 %) und Bergkäse (30 %) verarbeitet.

The wall of fame

The wall of fame

An der «wall of fame» beim Znüni-Tisch hängen Fotos von den 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. «Bei uns gilt das Prinzip ‹alle machen alles›», erklärt Selina. «Das führt zu einem abwechslungsreichen Arbeitsalltag und ermöglicht eine grosse Flexibilität bei der Arbeitsplanung. Es bewirkt auch, dass alle ‹das grosse Ganze sehen›, entsprechend mitdenken und Verantwortung übernehmen». Zwei der 14 sind noch in Ausbildung und erhalten einen deutlich höheren Lohn als der geforderte Lehrlingslohn.

Neue Wege bei der Sicherung der Rohmilchqualität

Neue Wege bei der Sicherung der Rohmilchqualität

Beste Rohmilchqualität ist das A und O bei Rohmilchprodukten und entsprechend eng wird auch in Seelisberg die Milchqualität überwacht. Mit regelmässigen, mikrobiologischen Untersuchungen im Labor der Beratungsorganisation LaBeCo und tagtäglich mit einer Auswahl an Praxisproben. Zusätzlich wird bei jeder Fabrikation die Kessimilch mit einer neuartigen Petrifilm-Methode auf den Gehalt an Escherichia coli untersucht. Sollte der Gehalt erhöht sein, werden umgehend die Rückstellproben von den einzelnen Lieferanten untersucht, um die Kontaminationsquelle zu finden und die Bäuerin oder den Bauern informieren und beraten zu können. Seit der Einführung vor 7 Monaten war der Gehalt an E. coli drei Mal leicht erhöht und die Fehler konnten sehr rasch gefunden und behoben werden. «Ich habe auch während meiner Schwangerschaft unseren Käse ohne Bedenken genossen», erzählt Selina.
Die Gesundheit der Kühe wird aktiv gefördert, indem der bezahlte Preis für Milch höher ist, je tiefer der Gehalt an somatischen Zellen ist. Die somatischen Zellen sind ein Hinweis auf eine Euterentzündung. Auch diese Massnahme trägt wesentlich zu einer Erhöhung der Lebensmittelsicherheit bei.

Pressen? – Dank Selina geht’s auch ohne!

Pressen? – Dank Selina geht’s auch ohne!

Ihre Offenheit für neue Wege, ihren Mut und ihre grosse Käsekunst hat Selina eindrücklich bewiesen, indem sie die Fabrikation so umgestellt hat, dass heute der Käse nur noch in der Wanne vorgepresst wird. Das aufwändige und mühsame Pressen mit Gewichtssteinen nach dem Portionieren braucht es jetzt nicht mehr; und die Käsequalität ist gleich hoch geblieben. Ein- oder zweimaliges Wenden und die rasche Säuerung führen zu einem guten Zusammenwachsen der Käsekörner.

Liebefelder Kulturen – what else?

Liebefelder Kulturen – what else?

Die Kulturen werden heute noch vom Grossvater hergestellt, was ihn – nach eigenen Angaben – jung erhält. Eingesetzt werden eine mesophile und zwei thermophile Säuerungskulturen aus dem Liebefeld. Die vierte eingesetzte Kultur war für mich ein schönes Déjà-Vu, wurde sie doch vor ca. 20 Jahren mit Erfolg in verschiedenen Forschungsprojekten getestet. Leider hat sie den Weg ins Sortiment der Liebefelder Kulturen AG nicht gefunden. Die Beratungsorganisation LaBeCo ist als Anbieterin in die Lücke gesprungen. Auch im Keller kommt eine Liebefelder Kultur zum Einsatz. Diese Kultur unterstützt die Entwicklung der Käseschmiere und bildet einen feinen Schimmelrasen. In Frankreich würde man von einer «Croûte Mixte» sprechen. Der Schimmelrasen führt dazu, dass die Käseoberfläche gut abtrocknet und in der Verpackung nicht unangenehm zu riechen beginnt.

Pioniere beim Online-Verkauf

Pioniere beim Online-Verkauf

Als eine der ersten Käsereien haben Aschwandens das Potenzial des Online-Verkaufs erkannt, einen attraktiven Webauftritt aufgebaut und auch verschiedene Geschenkverpackungen kreiert. Selina will den Online-Kanal weiter ausbauen und ist aktuell daran die internen Abläufe entsprechend anzupassen. Weitere Online-Anbieter sieht sie nicht als Konkurrenten, sondern als Partner, die mithelfen den Online-Handel besser bekannt zu machen und das Einkaufsverhalten der Leute zu verändern. Neben dem Online-Verkauf pflegen sie als weitere Standbeine den Direktverkauf (mit Laden, Selbstbedienungshütte und Marktstand), Lieferungen an die Gastronomie sowie den Weiterverkauf über Dorfläden und den Detailhandel in der Region. Es ist ihnen sehr wichtig, nicht zu stark von einem einzelnen Absatzkanal abhängig zu werden.

Cleveres System für die Milchsammlung

Cleveres System für die Milchsammlung

Aschwandens verarbeiten die Milch aus Seelisberg, Emmetten, Beckenried und im Sommer zusätzlich von der Klewenalp. Klar, dass die Hofabfuhr da am meisten Sinn macht. Dazu setzen sie einen Kleinlastwagen ein, der mit einem Führerausweis Kat.B gefahren werden kann. So haben alle Mitarbeitenden die Gelegenheit auch die eine oder andere Tour zu übernehmen und so mit den Bauern in Kontakt zu bleiben. Die beiden Milchtänke erlauben eine gleichzeitige Sammlung, z.B. der Biomilch und der konventionellen Milch. Wegen der begrenzten Kapazität muss zwischendurch Milch abgeladen werden, was einen frühzeitigen Produktionsstart ermöglicht. So können vor dem Mittag gut zwei Chargen produziert werden.

Sämi sucht neue Wege bei der Molkennutzung

Sämi sucht neue Wege bei der Molkennutzung

Ich durfte Sämi bei einer Milchsammeltour begleiten; wir haben intensiv darüber diskutiert, dass es in Zukunft eher ein qualitatives, statt ein quantitatives Wachstum braucht. Wir waren uns einig, dass die Wertschöpfung aus der Molke wesentlich erhöht werden muss. Aktuelle Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass rohe Molke sich sehr positiv auf die menschliche Gesundheit auswirken könnte, z.B. durch eine Verminderung der Entstehung von Allergien im Kindesalter. Sämi war begeistert. Bei der Erhitzung können die positiven Effekte verloren gehen.

Verwandt und dennoch eigenständige Charaktere

Verwandt und dennoch eigenständige Charaktere

Wir haben im Liebefeld vier verschiedene Käse degustiert. Ihre Verwandtschaft war gut erkennbar: Alle waren cremig und geschmeidig.

Sie überzeugten uns mit ihrer dezenten Salzigkeit, einer schönen Umami-Note, einem Hauch von Caramel sowie buttrigen und zwiebligen Aromen.

Es gab aber auch feine Unterschiede:

  • Der «Miudä»: erfrischend, joghurtig, grüne Noten in der Nase, ein richtiger «Familienkäse».
  • Der «Wirzigä»: sehr vollmundig, leicht pikant, ein Hauch von geröstetem Brot, langer angenehmer Nachklang.
  • Der «Griänä»: milder als der «Wirzigä», angenehme Bitternote, erfrischende Citrus-Aromen, eher kurzer Nachklang.
  • Der Bergkäse «Klewenalp»: schmilzt auf der Zunge, urchig, nussig, ein Feuerwerk an Aromen, rassig, lang anhaltender Nachklang.

Von allen Käsen nimmt man sehr gerne auch ein zweites Stück.
Zusätzlich haben wir uns «Mariages» mit acht verschiedenen Eistees vorgenommen. Insgesamt gefielen uns die Kombinationen mit denjenigen Eistees besser, die nicht allzu süss sind und eine markante Säure aufweisen.

Sehr spannend ist die Mariage zwischen dem Mate-Eistee und dem Bergkäse «Klewenalp», da sich die beiden gegenseitig etwas zähmen und gemeinsam eine wunderschöne, lang nachklingende Harmonie formen.

Der ungesüsste Alpenkräutertee ergänzt sich ausgezeichnet mit dem «Miudä». Beide Produkte geben einander viel Raum und kommen sehr schön zu Geltung.

Unser «Überflieger» war die Kombination zwischen dem Ingwer-Eistee und dem «Griänä»: Was für ein Bouquet aus dem Morgenland! Würzig, exotisch und eine ausgeprägte Vanille-Note. Ein tolles Sinnenerlebnis wie aus tausend und einer Nacht.
 

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Letzte Änderung 29.06.2023

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