Entdeckungsreise zu Christa in die Chäsi Girenbad

Christa’s Zauberkasten

Die vierte Reise führt uns nach Girenbad zu Christa Egli, die mit ihren Kreationen ihre Kundschaft verwöhnt und die Fachwelt verblüfft.

Cleverer Neubau

Cleverer Neubau

Die Planungsphase war sehr lange, unter anderem weil es schwierig war eine Bewilligung für die Erweiterung der nach wie vor kleinen Käserei zu erhalten, die in der Landwirtschaftszone liegt. Christa hat die Zeit bestmöglich genutzt und mit viel Herzblut ein einzigartiges Konzept entwickelt, um eine grosse Vielfalt an Käsesorten herstellen zu können. Seit 2020 ist der Neubau nun in Betrieb und erfüllt die hohen Erwartungen. Grosse Fenster und ein «Chäsi-Rundgang» schaffen Transparenz und ermöglichen einen unmittelbaren, authentitischen Einblick in das leidenschaftliche Käsehandwerk.

Die Käserei wurde auch aus Sicht der Lebensmittelsicherheit vorbildlich gebaut. So herrscht im Produktionsbereich ein leichter Überdruck, damit beim Öffnen der Türen keine unerwünschten Mikroorganismen oder Insekten in die Käserei gelangen können. 

Mechanische Belastung minimieren

Mechanische Belastung minimieren

Die Milch wird nur ein einziges Mal bei der Anlieferung gepumpt, und bei allen weiteren Prozesschritten übernimmt die Schwerkraft den Transport entlang eines natürlichen Gefälles.

Der Fettgehalt in den Käsen wird nicht – wie üblich – mittels einer Zentrifuge eingestellt. Die Abendmilch rahmt über Nacht in zwei Kessi auf, der Rahm wird am nächsten Morgen von Hand mit einer Kelle abgeschöpft und die Milch auf die verschiedenen Käsefertiger verteilt. So wie Christa es noch von ihrem Grossvater erlernt hat. Da sich der grösste Teil der Mikroflora im Rahm befindet, kann mit dem Entrahmen zugleich auch das mikrobiologische Gleichgewicht eingestellt werden.

Möglichst starke Differenzierung von der Industrie

Möglichst starke Differenzierung von der Industrie

Es ist Christa ein grosses Anliegen, traditionelles Handwerk zu pflegen und sich möglichst stark von der industriellen Käseproduktion zu differenzieren. Dazu gehört neben der Verarbeitung von Rohmilch auch der Einsatz von traditionellen mikrobiellen Kulturen. Ausser beim «Felsbrocken» (ein Hobelkäse) und beim «Crème» (für Fondue-Mischungen) werden bei allen Käsesorten stets auch Anteile an Fettsirtenkultur und an Fettsirtenmagenlab zugesetzt. Diese beiden Kulturen werden 1 bzw. 2 Tage bei 32 °C bebrütet. Bei dieser Temperatur werden mesophile Milchsäurebakterien gefördert, was vorteilhaft ist bei Weichkäsen und Halbhartkäsen, bei denen der Käsebruch im Kessi weniger stark erwärmt wird. Auf dem Foto präsentiert Christa die Kälbermägen, die für die Herstellung des Fettsirtenmagenlabs gebraucht werden. Um die Gerinnung der Milch in der gewünschten Zeit zu erreichen, wird zusätzlich Labpulver eingesetzt.

Grosse Vielfalt

Grosse Vielfalt

In der Käserei Girenbad werden je nach Saison 12-15 verschiedene Käsesorten hergestellt und ein Vielfaches davon, falls auch die verschiedenen Zutaten und Formate mitgerechnet werden. Das ist nur möglich, weil die Käserei von Christa für genau diesen Zweck konzipiert wurde. Es stehen insgesamt 11 unterschiedlich grosse, oder wohl eher unterschiedlich kleine Käsefertiger zur Verfügung. Alle sind erhöht installiert, damit ein Abfüllen per Schwerkraft möglich ist. Kleinstmengen, wie die Rohmilch-Tommli, werden in einer kleinen Wanne hergestellt. Christa setzt vielfach auf Bewährtes, hat aber auch die Offenheit Neues auszuprobieren. So hat sie beim «Heuhuufe», eigentlich ein Halbhartkäse, auch wichtige Prozesschritte aus der Frischkäse-Technologie übernommen. Und die «Sparflamme» verblüfft mit einer besonders energiesparenden Herstellung. So wird zum Beispiel der Käsebruch ausschliesslich mit Wasser aus der Wärmerückgewinnung erwärmt.

Kreative Reifung

Kreative Reifung

Unterschiedlichste Reifungsverfahren sind wichtige Bestandteile des Zauberkastens. Die Pflegewasser werden mit vielfältigen Zutaten angereichert. Der Nusskäse reift aufgehängt in Stoffsäcken und für die schimmelgereiften Käsesorten hat es einen kleinen Backstein-Gewölbe-Keller.

Ein Teil der Käse wird in Saland im Tösstal, bei der natürli zürioberland ag ausgereift.  

Streng bei der Rohmilchqualität

Streng bei der Rohmilchqualität

Die sechs Bauern bringen ihre Milch zweimal täglich ungekühlt in die Käserei. Christa bezahlt ihnen einen überdurchschnittlich hohen Milchpreis. Dafür sind die Anforderungen an die Milchqualität hoch und das Vorgehen bei Abweichungen ist sehr streng: Erfüllt die Milch die Anforderungen nicht, wird sie nicht mehr verkäst, bis eine Nachkontrolle bestätigt, dass die Mängel gefunden und behoben wurden.

Ein Besuch bei einem Milchbauern hat eindrücklich aufgezeigt, dass sehr viel Wissen und Erfahrung vorhanden ist, worauf bei der Milchgewinnung ein spezielles Augenmerk gerichtet werden muss. Es überrascht nicht, dass in Girenbad die Milch nur sehr selten nicht verkäst werden kann. Diese enge Zusammenarbeit ist eine wichtige Grundlage, um sichere, genussvolle und hochwertige Rohmilchprodukte herstellen zu können.

Urbane Kundschaft

Urbane Kundschaft

Drei Viertel der Käse werden über die Marke «natürli» verkauft. Seit 1995 bietet die natürli zürioberland ag der urbanen Kundschaft ein umfassendes und vielseitiges Sortiment an hochwertigen Käse und Milchprodukten regionaler Kleinkäsereien an mit dem Ziel, die Produktion und den Verkauf aus der Region Zürcher Berggebiete zu fördern. Christa ist sich sehr bewusst, dass ihre Kundinnen und Kunden auf der einen Seite zwar ursprüngliche Produkte suchen, auf der anderen Seite aber auch zunehmend höhere Anforderungen an das Tierwohl und an den ökologischen Fussabdruck stellen.
Sie ist auch bei diesen Themen eine sehr interessante und kompetente Diskussionspartnerin und vertritt klar die Ansicht, dass Kühe einen möglichst hohen Anteil an Gras und Heu fressen sollten, welches auf Dauergrünflächen produziert wurde. Zu den Dauergrünflächen gehören Naturwiesen und Weideland, die in der Schweiz 58 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen. Nur dank den Wiederkäuern ist es möglich, auf diesen Flächen überhaupt Lebensmittel zu produzieren. Christa anerkennt die Berechtigung von veganen Käsealternativen, ist aber der Ansicht, dass dafür Rohstoffe aus der Schweizer Landwirtschaft genutzt und diese schonend verarbeitet sollten. Sie hat selber in ihrer Küche bereits erste Versuche gemacht.

Alle übernehmen Verantwortung

Alle übernehmen Verantwortung

Die Vielfalt der Produkte und Prozesse erfordert, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein hohes Mass an Verantwortung mittragen. Das Team besteht aus 15 Personen, viele in Teilzeit. Zwei Drittel sind Frauen und das sei gut so, denn «Männer sehen primär die Arbeit und Frauen eher das Produkt», so Christa. Männer würden deshalb vor allem Vorschläge machen um die Effizienz zu erhöhen und Frauen um das Produkt zu verbessern.

Die Ausbildung von Milchtechnologinnen und Milchtechnologen geniesst hier einen hohen Stellenwert. Die Käserei Girenbad ist ein äusserst attrakiver Lehrbetrieb, dank der grossen Vielfalt an Produkten und dem diversen Team mit einzigartigen Fachkenntnissen und spürbarer Leidenschaft für hochwertigen Käse.

Sehr beeindruckend war auch, dass es bei der Käseherstellung nie hektisch wurde, sondern stets konzentriert und ruhig gearbeitet wurde.

Frühreife Charakterköpfe

Frühreife Charakterköpfe

Eigentlich ist die Regel, maximal vier Käsesorten für die sensorische Beschreibung auszuwählen. Die Qual der Wahl war jedoch schlicht zu gross und so wurden fünf Käse eingepackt.
Alle Käse sind für ihr Alter ausgesprochen frühreif, schmelzen wunderbar auf der Zunge und haben einen harmonischen, langanhaltenden Nachklang. Es ist gut möglich, dass die zugesetzten Fettsirtenkulturen und Fettsirtenmagenlab massgebend den Charakter mitbestimmen.

  • Der «Bachtelstei» (Halbhartkäse, 2 Monate gereift) begeistert mit einem schönen Biss, einem milchigen, buttrigen Aroma und einem angenehmen Prickeln im Gaumen.

  • Der «Heuhuufe» (Halbhartkäse, 3 Monate gereift) fällt auf mit einer knackigen, erfrischenden Säure und enthüllt beim Aroma im Verlaufe der Zeit mehr und mehr Facetten. Das Heu ist gut erkennbar und fügt sich harmonisch ins Gesamtbild ein.

  • Bei der «Sparflamme» (Halbhartkäse, 8 Monate gereift) wird beim Energieeinsatz gespart. Nicht gespart wird hingegen beim Aroma, ganz im Gegenteil. Rezent, würzig, prägnante Zwiebelnote. Der vollmundige Geschmack zeichnet sich mit einer angenehmen Bitterkeit und mit umami, der fünften Geschmacksdimension, aus. Zu einem spektakulären Gaumenerlebnis wird die «Sparflamme» dank den prägnanten Kristallen.

  • Die «Ur-Eiche» (Hartkäse, 9 Monate gereift) begeistert mit einer leicht mürben Textur und einem Aroma nach Dörrfrüchten (Pflaume), Baumnuss, Vanille, Caramel und blumigen, grasigen Reflexen.

  • Den «Felsbrocken» (Hobelkäse, 15 Monate gereift) haben wir gehobelt. Die Textur ist ideal um Käserollen zu machen. Im Gaumen zeigt er viel Pep, ist sehr pikant, pfeffrig, hat erfrischende Zitrusnoten und eine tragende Bitterkeit. Es macht grosse Lust mit dem «Felsbrocken» in der warmen Küche zu experimentieren.

Die sensorische Beschreibung rief auch verschiedene Kindheitserinnerungen hervor, die ausnahmslos positiv waren. Handwerklich hergestellte Käse wecken schöne Emotionen.

Die Zauberei von Christa kann jede und jeder zuhause selber weiterführen, da sich alle Käse sehr gut für die unterschiedlichsten Mariages eignen. Wir haben dazu insgesamt 11 verschiedene Früchte-Senfe und Chutneys getestet und viele schöne Mariages gefunden. Allen gemeinsam war, dass die Käse die Schärfe abgemildert haben und der Geschmack abgerundet wurde und viele, neue Facetten beim Aroma auftauchten. Beim «Bachtelstei» war die Kombination mit dem Cassis-de-Dijon-Senf eine wilde Achterbahnfahrt mit fruchtigen, würzigen und blumigen Aromen. Der «Heuhuufe» entführte uns zusammen mit dem Feigen-Lavendel-Chutney in die Ferien auf einen Markt in die Provence. Bei der «Sparflamme» entzündete der Chili-Tomaten-Chutney ein wahres Feuerwerk im Gaumen, ohne dabei brennend oder stechend zu wirken. Der Aprikosen-Chili-Chutney zauberte zusammen mit der «Ur-Eiche» weihnachtliche Aromen nach Zitrusfrüchten (vor allem Orange), Zimt und Lebkuchen hervor. Alles Aromen, die wir weder im Chutney noch im Käse finden konnten. Auch Himbeer-Senf bereichert die «Ur-Eiche» stark, mit den unterschiedlichsten Beeren aus dem Garten und aus dem Wald. Beim «Felsbrocken» begeisterte uns die Mariage mit Birnensenf am meisten, mit einer wunderschönen Caramel-Note, etwas Rhabarber und verschiedenen Küchenkräutern.

Allen Mariages gemeinsam war ein unglaublich schöner, langanhaltender Nachklang, der zum Geniessen und Träumen einlud. Am liebsten hätte man die Zeit angehalten. Welch ein Zauber! Vielen Dank an Christa und ihr Team.

Link

Letzte Änderung 23.02.2024

Zum Seitenanfang