Soja wird auf der ganzen Welt und in unterschiedlichster Form wie Sojamilch, Tofu oder Soja-Sauce konsumiert. Ausserhalb Asiens wird die Sojabohne zwar hauptsächlich als Futtermittel eingesetzt, sie erobert aber zusehends auch den Lebensmittelmarkt. Vor diesem Hintergrund hat Agroscope Sorten mit angenehmem Geschmack gezüchtet, die perfekt an die klimatischen Verhältnisse in der Schweiz angepasst sind.
Die Sojapflanze gehört zu den Hülsenfrüchtlern und stammt ursprünglich aus dem Nordosten Chinas. Tofu dürfte bereits vor mehr als 2000 Jahren durch Gerinnung von Sojamilch mithilfe von Nigari (Magnesiumchlorid) hergestellt worden sein. Die ernährungsphysiologischen Qualitäten von Tofu sind gut bekannt. So ist Tofu reich an Proteinen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, namentlich Omega-3-Fettsäuren (20 % Öl und 40 % Proteine). Ausserdem enthält es bedeutende Mengen an Calcium und Eisen. Aus ernährungstechnischer Sicht ist Soja auch als Fleischersatz für Vegetarier interessant und als Erweiterung unseres Nahrungsmittelspektrums willkommen. In Europa erfreuen sich die verschiedenen aus Soja gewonnenen Produkte zunehmender Beliebtheit.
Strategisch wichtig für Welternährung
Die Sojabohne ist eine Proteinquelle, die im Hinblick auf die Ernährung der Weltbevölkerung strategisch interessant ist. Gegenwärtig werden fast 80 % des weltweit produzierten Soja als Tierfutter eingesetzt und ein ebenso grosser Anteil der Produktion wird durch GVO-Sorten gedeckt (ISAAA, 2014). Die wichtigsten Sojaproduzenten befinden sich auf dem amerikanischen Kontinent. 2012 wurde auf Initiative von Österreich und Bayern die Organisation «Donau Soja» (www.donausoja.org) gegründet, mit dem Ziel, die europäische Forschung sowie die nachhaltige, regionale und gentechnikfreie Soja-Produktion zu fördern. Diese Initiative verhalf dem Anbau eiweissreicher Pflanzen in den dafür geeigneten Regionen zu neuem Auftrieb. In der Schweiz begannen die Züchtungsarbeiten 1981 mithilfe einer Startfinanzierung durch das Unternehmen Nestlé. Das Züchtungsprogramm von Agroscope (Film: Die Soja-Züchtung) ermöglichte die erfolgreiche Entwicklung neuer Sorten, welche an die besonderen klimatischen Bedingungen in der Schweiz angepasst sind. Das Programm konzentriert sich zwar in erster Linie auf die Züchtung von Sojabohnen hoher Qualität, die für den menschlichen Verzehr vorgesehen sind, lässt aber auch den Einsatz als Futtermittel nicht ausser Acht.
Ehrgeizige landwirtschaftliche Ziele
Zu den wichtigsten Zielen des Programms gehören eine kurze Vegetationsdauer sowie ein hoher und stabiler Ertrag. Nördlich der Alpen ist die Toleranz gegenüber tiefen Temperaturen während der Blüte das entscheidende Merkmal für einen zuverlässigen Ertrag. Sehr frühreife und stabile ertragreiche Sorten, die auf einer breiten genetischen Vielfalt beruhen, stellten die ersten erfolgreichen Innovationen der Schweizer Züchtung dar. Die Blattfläche der Sojapflanze, die in unserem Klima oft beträchtliche Ausmasse erreicht, konnte durch die Auswahl von Linien mit kleinen Blättern mit lanzettlicher, d.h. mit länglicher und schmaler Form reduziert werden. Die Standfestigkeit, eine geringe Neigung zum Aufplatzen der Hülsen bei der Reifung und die Toleranz gegenüber verschiedenen Krankheiten gehören ebenfalls zu den Merkmalen, die im Hinblick auf den Anbau berücksichtigt werden (siehe Website Agroscope: Pflanzenzüchtung und Sorten)
Geschmackliche Eigenschaften der Körner
Der typische, im asiatischen Raum geschätzte, etwas grasige Geschmack der Sojabohne gilt im Westen als unerwünscht. Er entsteht durch die Oxidation von Fettsäuren durch Lipoxygenasen. Lipoxygenasen sind Enzyme, die in drei verschiedenen Formen in den Körnern vorkommen. Durch die Unterdrückung des wichtigsten für diesen typischen Bohnengeschmack verantwortlichen Enzyms konnten Sorten mit verbessertem Geschmack gezüchtet werden. Mithilfe biochemischer Marker konnten neue Populationen ohne Lipoxygenasen ausgelesen werden.
Ein wichtiges Sortenmerkmal ist der Tofu-Ertrag – die Menge an Tofu, die aus einem Kilogramm getrockneter Körner gewonnen werden kann. Dieser Ertrag hängt einerseits vom Proteingehalt (Albumine), aber auch von deren Zusammensetzung ab. Diese Qualität wird auch vom Verhältnis der Anteile der einzelnen Protein-Untereinheiten (Glycinin/Conglycinin) beeinflusst. Auch die Festigkeit von Tofu, ein entscheidendes Merkmal, ist eng mit diesen Parametern verbunden. Gegenwärtig werden Untersuchungen zur Bestimmung des idealen Protein-Profils für jedes Endprodukt (Sojamilch oder Tofu) durchgeführt und mit Rückkreuzungsversuchen wird versucht, diese günstigen Proteinzusammensetzungen zu erreichen.
Konkurrenzfähigkeit gegenüber Unkraut
Die Produktion von Bio-Sojabohnen als Nahrungsmittel liegt in der Schweiz im Trend. In Zusammenarbeit mit dem FiBL und dank einer Teilfinanzierung durch Coop hat Agroscope kürzlich Versuche zur Konkurrenzfähigkeit mit einer künstlichen Begrünung angelegt. Ziel ist es, festzustellen, ob die Sortenunterschiede bei der Konkurrenzfähigkeit von Soja gegenüber Unkraut ausreichen, um auf ursprüngliche, an die Bedürfnisse dieser Produktion angepasste Sorten abzustützen (Mitteilung FiBL).
Europäische Protein-Strategie
Agroscope beteiligt sich mit seinem Züchtungsprogramm an der Entwicklung der Sojapflanze, einem der wenigen Hülsenfrüchtlern in der Kulturfolge, und somit an der Umsetzung einer europäischen Protein-Strategie. Seit 1981 wurden 45 neue Züchtungen in verschiedene nationale Sortenkataloge des europäischen Kontinents aufgenommen, und einige davon feierten sehr beachtliche kommerzielle Erfolge. Beispielsweise wurde der seit 1988 bei 37-39 % stagnierende Proteingehalt (Gehriger, 1988) 2014 mit einem Gehalt von 42-44 % durchbrochen (Schwaerzel et al, 2014). Der Proteingehalt der Agroscope-Sorte «Proteix» liegt zuverlässig bei 45 %, während «Falbala» bis zu 50 % erreicht. Die ersten Agroscope-Sorten ohne grasigen Geschmack wie «Aveline» und «Amandine» sind sehr vielversprechend, und weitere Sorten werden in der Schweiz und Europa wegen ihrem Futterwert angebaut. Mit diesem seit über 30 Jahren durchgeführten Züchtungsprogramm leistet die Schweiz über ihre Grenzen hinaus einen wichtigen Beitrag zur regionalen Proteinversorgung und zur Diversifizierung der Fruchtfolge.