Agroscope hat die Grundlage für eine Methodik entwickelt, um die Nachhaltigkeit von Schweizer Landwirtschaftsbetrieben zu beurteilen. Ein Set von Indikatoren wird ab Sommer 2016 auf rund zehn Betrieben getestet. Nachhaltig geführte Betriebe bilden eine wichtige Basis für eine gesunde und zukunftsfähige Nahrungsmittelproduktion.
Für die Optimierung von Landwirtschaftsbetrieben ist eine Beurteilung ihrer Nachhaltigkeit grundlegend. Dabei müssen Kriterien bezüglich der drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermassen berücksichtigt werden. Agroscope hat entsprechende Indikatoren entwickelt und diese im Mai 2016 in der Reihe Agroscope Science publiziert.
Diese Indikatoren sind die Grundlage, um Landwirtinnen und Landwirten sowie interessierten Akteuren und Stakeholdern aus Produktion, Verarbeitung, Handel, Konsum und Verbandswesen eine umfassende Beurteilung der Nachhaltigkeit von Landwirtschaftsbetrieben zu erlauben. Spezielle Aufmerksamkeit widmet Agroscope der sozialen Dimension. In diesem Bereich stehen noch wenig belastbare und praxistaugliche Indikatoren zur Verfügung, die auf Schweizer Landwirtschaftsbetriebe zugeschnitten sind.
Well-Being-Konzept für menschliches Wohlbefinden
Vier Projektteams erarbeiteten Indikatoren zur Beurteilung der sozialen Nachhaltigkeit mit Fokus auf die drei folgenden Bereiche: das menschliche Wohlbefinden, das Tierwohl sowie die Ästhetik des Landschaftsbildes. Dabei zeigte sich, dass das Well-Being-Konzept der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine gute Grundlage darstellt, um die verschiedenen Aspekte des menschlichen Wohlbefindens abzubilden. Zu diesem Zweck wurden für jeden Teilaspekt wie etwa die Work-Life-Balance, soziale Beziehungen oder subjektives Wohlbefinden Schlüsselfragen entwickelt, mit denen sich die entsprechende Thematik prägnant und einfach beschreiben lässt.
Wegen der Relevanz der Thematik für die Landwirtschaft widmete sich ein Projektteam der Berechnung der zeitlichen Arbeitsbelastung. Auf der Grundlage der von Agroscope entwickelten Software «ART-Arbeitsvoranschlag» zur Berechnung des erwarteten Arbeitszeitbedarfs wurde ein Indikator abgeleitet, der auf dem Vergleich des theoretisch abgeleiteten Arbeitszeitaufwandes und der auf dem Betrieb vorhandenen Arbeitskräfte basiert.
Punktesystem für das Tierwohl
Ein weiteres Projektteam stellte fest, dass eine Bewertung des Tierwohls mit einem einfachen Indikator der Komplexität des Themas nicht gerecht werden kann. Die Forschenden schlagen deshalb ein Punktesystem vor, das ohne Beobachtungen oder Messungen am Tier auskommt. Dabei werden Massnahmen mit erwarteter positiver Auswirkung auf einen der zwölf Tierwohlaspekte, die im bestehenden Messinstrument Welfare®-Quality-Protokoll berücksichtigt werden, mit Punkten belohnt, zum Beispiel die Bewegungsfreiheit und das Ausbleiben von Schmerzen. Voraussetzung für die Belohnungspunkte ist, dass das erwartete Tierwohl über das Minimum des Schweizer Tierschutzgesetzes hinausgeht. In Folgeprojekten soll nun ermittelt werden, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Anzahl erreichter Punkte und dem Tierwohl besteht.
Indikatoren für Wirtschaft und Umwelt
Auch in den Bereichen Wirtschaft und Umwelt hat Agroscope Indikatoren beschrieben, ausführliche Angaben dazu finden sich in der entsprechenden Agroscope-Publikation vom Mai 2016. Die ökonomische Nachhaltigkeit eines Betriebes lässt sich durch je zwei Kennzahlen in den Bereichen Rentabilität (Arbeitsverdienst je Familienarbeitskraft und Gesamtkapital-Rentabilität), Liquidität (Cashflow-Umsatz-Rate und dynamischer Verschuldungsgrad) und Stabilität (Anlagenintensität und Anlagendeckung) darstellen. Die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit umfasst die Komponenten Ressourceneffizienz, Auswirkungen auf das Klima, Nährstoffe, Ökotoxizität sowie Biodiversität und Bodenqualität.
Realisierberkeit, Nutzen, Akzeptanz
Der Praxistest des Indikatoren-Sets erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Landwirtinnen und Landwirten. Ermittelt werden die Realisierbarkeit, der Nutzen sowie die Akzeptanz einer Nachhaltigkeitsbewertung auf betrieblicher Ebene. Zusätzlich zur Weiterentwicklung des Indikatorensets ist eine wissenschaftliche Analyse der Ergebnisse geplant. Das Projekt wird Ende 2019 mit einem ausführlichen Bericht abgeschlossen werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, eine praxistaugliche Lösung zur Beurteilung der Nachhaltigkeit auf einer grossen Anzahl Landwirtschaftsbetriebe umzusetzen. Das Projekt wird vom Migros-Genossenschaftsbund finanziell unterstützt. IP-Suisse wirkt aktiv bei der Datenerfassung mit.
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