Artikel aus der Zürichsee-Zeitung von Sybille Zollinger vom 12. Aug. 2000
Einst war es der Sitz der Landvögte, heute ist es eine Hochburg modernster Forschung: das Schloss Wädenswil. Auf 75 Seiten widmet sich Historiker Peter Ziegler in seiner Publikation der bewegten Schlossgeschichte.
Das Schloss Wädenswil ist nicht nur eine traditionsreiche Forschungsanstalt in Sachen Obst-, Wein- und Gartenbau. Wer durch die Anlage spaziert, riecht den Duft nach Historie, der im Gegensatz zu den zukunftsgerichteten Forschungsarbeiten steht, die hinter den Türen der alten Gebäude getätigt werden.
Diesem Duft ist Peter Ziegler in seinem Buch nachgegangen, das erschienen ist unter dem Titel «Schloss Wädenswil - Vom Sitz der Landvögte zur Eidgenössischen Forschungsanstalt». Den ersten, umfassendsten Teil widmet der Historiker Ziegler dabei den Anfängen des Schlosses und seinen Bewohnern, den Landvögten. Der zweite Teil, der eine kunsthistorische Sichtweise einschliesst, gehört der Baugeschichte des Schlosses. Der dritte Teil schliesslich dokumentiert Entstehen und Entwicklung der Forschungsanstalt und schliesst mit einem Blick in die Zukunft ab.
250 Jahre als Landvogtei
Im 16. Jahrhundert konnte der Zürcher Rat seine Position am oberen linken Zürichseeufer auf Kosten des Johanniterordens stärken. Zürich erwarb die Komturei Wädenswil und gliederte sie als Landvogtei dem Stadtstaat an. Da Schwyz und Glarus befürchteten, Wädenswil könnte als Ausgangspunkt für kriegerische Aktionen dienen, musste die Burg geschleift werden. Als Ersatz entstand das dorfnahe Schloss. Während 250 Jahren regierten von hier aus nun die Landvögte. Bei den jeweiligen Anwärtern aus der gehobenen Zürcher Klasse war die Vogtei Wädenswil sehr beliebt.
Wädenswil als Kaderschmiede
Sie galt als Karrieresprungbrett, versprach Reichtum und verlieh Prestige. Zudem war sie von Zürich aus bequem mit dem Schiff zu erreichen. Und nicht zuletzt galten die «Wedenschwyler» als lustiges Völkchen.
Nach der Helvetischen Revolution 1798 und dem Ende der Landvogtei wurde das Schloss zum Nationalgut erklärt und an die Gemeinde Wädenswil verpachtet. Während zweier Jahre wurde ein Knabeninstitut darin untergebracht, das Projekt scheiterte aber. Ein einschneidendes Ereignis in der Schlossgeschichte war das Jahr 1804, als Wädenswiler Hitzköpfe Feuer im Hauptgebäude legten und der stattliche Bau vollständig niederbrannte. Das Ereignis hatte Signalwirkung für den Bockenkrieg, einen Aufstand von Landleuten gegen die konservative Zürcher Regierung. 1816 begann der bedeutende Zürcher Architekt Hans Conrad Stadler mit dem Bau des heutigen, klassizistischen Schlosses.
Die Versuchsstation wird geboren
Nach mehreren Jahrzehnten in Privatbesitz entstand 1890 im Schloss die «Deutschschweizerische Versuchsstation für Obst-, Wein- und Gartenbau». Ihr erster Direktor wurde mit Hermann Müller-Thurgau eine spätere Berühmtheit. Er gilt als bedeutendster Pionier der angewandten Botanik. Ihm gelangen die ersten wissenschaftlichen Rebkreuzungen, unter anderem die Züchtung der Riesling x Sylvaner-Rebe, die dem daraus gekelterten Weisswein den Namen gab. In den 1990er Jahren zeigten genetische Analysen, dass Müller-Thurgau dabei ein Irrtum unterlaufen war. Statt mit der Sylvaner- hatte er nämlich die Rieslingrebe mit der Königlichen Magdalener-Rebe gekreuzt.
In den folgenden 110 Jahren bis heute entwickelte sich die Forschungsstation, 1968 in «Eidgenössische Forschungsanstalt» umbenannt, zu einer Institution von Weltruf. Zieglers Buch ist nicht nur eine minutiöse, sich von verschiedenen Seiten nähernde Beschreibung von 500 Jahren Schlossgeschichte. Immer wieder gelingt es ihm, diese erfrischend in regionale und nationale Begebenheiten einzubetten. Damit ist es nicht nur für den «Schloss-Liebhaber», sondern auch für ein breites Publikum lesenswert.
«Schloss Wädenswil» von Peter Ziegler ist im August 2000 erschienen. Es kostet 36 Franken und kann bestellt werden beim Verlag Stutz Druck AG, CH-8820 Wädenswil www.stutz-druck.ch