Die Kuh im digitalen Zeitalter

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Nils Zehner hat RumiWatch mitentwickelt. Das System erlaubt es, das Tierwohl im Blick zu behalten, auch wenn man nicht wie er ständig bei den Tieren ist.

Hohe Arbeitsbelastung, steigende Tierzahlen und wachsende Betriebsstrukturen – Landwirtinnen und Landwirte investieren immer häufiger in automatische Systeme zur Tierüberwachung. Das spart Zeit, denn so sind alle Tiere überall und jederzeit «im Blick». Veränderungen werden frühzeitig erkannt – das erlaubt Sofort-Massnahmen zum Wohle der Tiere. 

Wie erfährt man, wie es einer Kuh gesundheitlich geht? Fragen kann man sie nicht, und sie kann uns auch keine Kurznachricht aufs Smartphone senden. Oder doch? Bei Agroscope kann sie es, wenn sie RumiWatch-Sensoren an Kopf und Bein trägt. Mit solchen Sensoren erfassen Agroscope-Fachleute das Fress- und Aktivitätsverhalten einer Kuh. Via Tierüberwachungssystem RumiWatch sollen zukünftig wichtige Informationen über ihr Verhalten und ihr Wohlbefinden direkt aufs Tablet oder Smartphone gelangen. Neben dem Tierwohl liesse sich mit diesem System auch das Herdenmanagement und die Fütterung verbessern. 

Im Stall hat alles begonnen

Agroscope entwickelte das RumiWatch-System zusammen mit Vetsuisse (Universität Bern) und der Firma Itin&Hoch (Liestal, Schweiz). Das System besteht aus einem Pedometer sowie einem Nasenbandsensor, der in ein Halfter integriert ist. Die von den Sensoren gesammelten Daten werden an einen Computer gesendet. Das RumiWatch-Programm erfasst die Daten und wertet sie aus.

Im Moment wird das System hauptsächlich in der Forschung eingesetzt, um verschiedene Fragen rund um die Wiederkäuer-Ernährung zu untersuchen. Dafür musste zuerst ein Messinstrument entwickelt werden, das die unterschiedlichen Drucksignale für Fressen und Wiederkauen unterscheiden kann. Das verbesserte System erlaubt es zudem, auch das Abschlucken und das Hochwürgen von Nahrungsbissen (Bolus) zu erkennen. 

Für die Weide weiterentwickelt

Auf der Weide allerdings haben Wiederkäuer ein anderes Fressverhalten als im Stall, deshalb musste das RumiWatch-System für weidende Kühe weiterentwickelt werden. Vor allem die automatisierte Schätzung des Futterverzehrs ist sehr wichtig in der Weidehaltung. Das RumiWatch-Halfter kann deshalb neu zwischen Fressbissen und Kaubissen unterscheiden. Das Verhältnis der beiden Bisstypen zueinander ermöglicht eventuell wichtige Rückschlüsse auf die Futterqualität. Auch dies ist ein wichtiger Parameter, um das Weidemanagement zu verbessern. Wenn nämlich die Futterqualität abnimmt, ist die Zeit reif für einen Wechsel der Weide. 

Das Tierwohl überwachen

Für die Früherkennung von Krankheiten und die Bewertung des Tierwohls sammelt RumiWatch neben Daten übers Fressen auch solche zur Bewegungsaktivität. Das Pedometer erlaubt es, das Lauf-, Steh- und Liegeverhalten genau zu erfassen. Die Kombination aus den verschiedenen Daten soll zukünftig die Grundlage für eine Früherkennung von Krankheiten bilden.

Bisher wurden Studien im Bereich der automatischen Erkennung von Lahmheiten durchgeführt. In Zukunft wird aber auch ein besonderer Fokus auf Zeitreihenanalysen liegen, mit denen unter anderem die Biorhythmik der Tiere erfasst werden soll. 

Der Schritt in die Praxis

Seit 2012 wird das RumiWatch-System zu Forschungszwecken eingesetzt – rund 1500 Einheiten sind heute weltweit im Einsatz. Der nächste Schritt besteht darin, die Technologie praxistauglich zu machen. Das bedingt, dass sie einfach einzusetzen ist und preiswert angeboten werden kann.

Was für Kühe funktioniert, könnte auch bei Pferden klappen – deshalb lief eine Pilotstudie am Schweizer Nationalgestüt mit einem EquiWatch-System. In ein paar Jahren könnten also Kühe und Pferde indirekt per Kurznachricht ihren Landwirtinnen und Landwirten mitteilen, wie es ihnen geht.

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Zum RumiWatch-System gehören ein Sensor am Kopf…
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… und ein Sensor an einem Bein.
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Die Daten der Sensoren werden direkt an einen Computer gesendet.
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Bei Pferden wird EquiWatch getestet.

Weitere Informationen

Fach-Video zu RumiWatch (in Englisch)

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