Digitalisierte Biene als Botschafterin für den Bienenschutz

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Lukas Jeker ist an den Vorbereitungen, um Bienen einen Chip auf den Rückenpanzer zu kleben. Dieser darf weder Flügel noch Flugmuskulatur beeinträchtigen.

Bienen können durch Pollen oder Nektar geringe Pflanzenschutzmittel-Rückstände aufnehmen. Dies wird oft als mögliche Ursache für das Bienensterben genannt. Ein neu entwickelter Test soll zeigen, ob das Verfüttern von geringen, nicht tödlichen Mengen von Pflanzenschutzmitteln das Orientierungs- und Erinnerungsvermögen von Bienen beeinflusst. 

Mit einem Mikrochip auf dem Rücken fliegen Testbienen zum Bienenstock. Ihr Flugverhalten wird gemessen und liefert den Forschenden von Agroscope wertvolle Informationen. Damit sollen die Risiken von Pflanzenschutzmittelrückständen erfasst werden und eine Antwort auf die Frage erlauben, wie diese auf die Bienen in freier Natur wirken. Konkret wird ermittelt, wie viele der Testbienen nach dem Fressen der mit einem Neonikotinoid versetzten Futterlösung aus einem Umkreis von 1 km Entfernung in den Bienenstock zurückkehren und wie lange sie dafür benötigen. «Bienen, die mit der Umgebung vertraut sind, fliegen normalerweise direkt zum Stock zurück», meint der Agroscope-Forscher Lukas Jeker. Die Rückkehrrate und die Dauer für den Weg zurück in den Bienenstock liefern wertvolle Informationen darüber, wie gut es der Biene geht und ob sie sich noch orientieren kann. 

Die RFID-Technologie

Dafür wird die RFID-Technologie (Radio Frequency Identification) eingesetzt. RFID ist eine automatische und kontaktlose Kommunikationstechnik und kann für die Identifikation von Personen, Tieren, Waren etc. eingesetzt werden. Gut bekannt ist diese Technologie beispielsweise in Warenhäusern, womit Waren vor Dieben geschützt werden und beim Ausgang einen Alarm auslösen. Ein vergleichbarer Datenträger wird nun den Testbienen auf den Rücken geklebt. Wenn die Biene das Lesegerät am Eingang zum Bienenstock passiert, können die Daten berührungslos von dessen Speicher gelesen und identifiziert werden. RFID funktioniert mit schwachen elektromagnetischen Wellen, welche von einem Lesegerät abgestrahlt werden. Damit die Bienen sich an die Lesegeräte gewöhnen konnten, wurde die Technik bereits einige Tage vor Versuchsbeginn am Flugbrett beim Bienenstock montiert. 

Für Bienenforschung ist Feingefühl gefragt

«Damit eine Biene ungehindert fliegen kann, muss der Datenträger präzise auf dem Rückenpanzer einer Biene fixiert werden, ohne die Flügel oder Flügelmuskulatur zu beeinträchtigen.» Diese Datenträger, man nennt sie auch Transponder oder Tag, sind ca. 4,5 Milligramm schwer. «Wir mussten einen Weg finden, diese auf dem Rücken der Biene sicher zu befestigen. Mittlerweile sind wir geübt darin, diese sanft mit wenig Zahnzement auf den Rücken der Biene zu kleben. Der Zement trocknet schnell und hält zuverlässig. Es ist wichtig, dass die Bienen so möglichst wenig gestresst und durch den Chip in ihrem Verhalten nicht beeinträchtigt werden», betont der Ökotoxikologe Jeker. 

Probleme beim Heimflug

Bisher hat es sich gezeigt, dass das getestete Neonikotinoid bei der höchsten Dosis von 1 ng pro Biene einen Einfluss auf die Rückkehrrate hat. Nur noch 60 % der Bienen, welche die höchste und eher unrealistische Dosis aufnahmen, flogen in den Bienenstock zurück. Im Gegensatz dazu finden beim Test 90 % der Tiere zum Bienenstock zurück, wenn sie unbehandelt oder lediglich der tiefen Dosis ausgesetzt waren. Auch in anderen Ländern gab es ähnliche Resultate. Daraus kann man folgern, dass die Bienen bei der Einnahme einer hohen Konzentration des Neonikotinoids in ihrer Orientierung oder Flugfähigkeit beeinträchtigt werden. 

Mitmachen und mitbestimmen

Die Studie des Zentrums für Bienenforschung von Agroscope ist Teil eines internationalen Ringtests zur Entwicklung neuer internationaler Testverfahren, um die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln international und in der Schweiz zu verbessern. Der Ringtest wird in zwölf Labors in den fünf Ländern Deutschland, Italien, Grossbritannien, Frankreich und der Schweiz nach dem gleichen Versuchsplan durchgeführt. Geforscht wird einerseits an der Technologie, wie diese in der Bienenforschung anzuwenden ist, und andererseits werden die Resultate aus den verschiedenen Ländern verglichen, um die Robustheit der Methode zu prüfen. 

Die Teilnahme an internationalen Ringtests ist für das Schweizer Kompetenzzentrum als unabhängige Instanz sehr wichtig. So können neue Methoden sowie die Risikobeurteilung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gegenüber Bienen mit Hilfe unserer Sichtweise angepasst und nach den neusten Erkenntnissen verbessert werden. Die Daten aller beteiligten Länder werden miteinander verglichen mit dem Ziel, daraus eine neue OECD-Leitlinie für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu machen. 

2018 wird der Ringtest ein letztes Mal durchgeführt, bevor die Methode als neue Richtlinie bei der OECD eingereicht und evaluiert wird. Das Ziel ist es, dass der RFID-Test für die Beurteilung von nicht-tödlichen Effekten verwendet werden kann. Es wäre ein wichtiger Schritt für die Verbesserung der Risikobeurteilung für Bienen.

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Ein Chip wird auf den Rückenpanzer einer Biene befestigt.
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Diese Biene trägt jetzt ihren Chip auf dem Rückenpanzer und bekommt Futter.
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Mit dem Chip kann ihre Rückkehr in den Bienenstock aufgezeichnet werden, was Rückschlüsse auf Gesundheit und Verhalten zulässt.
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Anhand ihres Heimkehrvermögens können nicht-tödliche Effekte von Pflanzenschutzmitteln auf Bienen beurteilt werden.
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Das Zentrum für Bienenforschung hat seinen Sitz am Agroscope-Standort Liebefeld (Bern).

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