Der Weinbau im Wandel des Klimas

Vivian Zufferey misst die Photosynthese an Weinreben, um die Aufnahme von Kohlendioxid zu bestimmen.

Der Schweizer Weinbau ist geprägt durch seinen alpinen Charakter, aussergewöhnliche Landschaften, eine Vielzahl von Mikroklimata und eine breite Vielfalt von Rebsorten. Die Agroscope-Fachleute arbeiten an Projekten zu den Folgen des Klimawandels und zur Anpassung der Weinrebe an diese neuen Bedingungen – mit dem Ziel einer nachhaltigen Produktion.

In der Schweiz lässt sich Weinbau an sonnenexponierten Südhängen entlang von Seen und in Alpentälern betreiben. Die Anbaugebiete wurden von Generationen von Weinbauern mit spezifischen Zielen und unter vielfältigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgewählt. Das Ergebnis ist eine breite Vielfalt von Rebsorten.

Mal feuchter, mal trockener

Seit jeher folgen die klimatischen Bedingungen dem Rhythmus der Jahreszeiten und mehrjährige Pflanzen begegnen dieser Herausforderung, indem sie sich möglichst gut anpassen. Die meteorologischen Aufzeichnungen deuten seit mehr als 20 Jahren auf eine Lufttemperaturerhöhung mit ziemlich zuverlässigen Szenarien zur künftigen Entwicklung hin. Für die Niederschläge sind die Modelle weniger eindeutig. Sie prognostizieren abwechslungsweise feuchtere und trockenere Jahreszeiten. Eine genau auf die gewünschten Weintypen abgestimmte Bewässerung wird gerade in trockenen Jahrgängen wie 2015 eine zunehmend wichtige Rolle spielen.

Langfristige Daten

Im Rahmen der Forschung von Agroscope im Bereich Weinbau in Pully werden seit 1925 Daten zu klimatischen Parametern und zur Phänologie der Rebsorte Chasselas gesammelt. In diesen langen Beobachtungsreihen lässt sich eine leichte Tendenz zu einem verzögerten Laubaustrieb feststellen, mit extrem frühem Austrieb im Jahr 1990 (19. März) und maximaler Verzögerung 1956 (5. Mai), das von einem historischen Winterfrost geprägt war.

Der Blühbeginn ist tendenziell früher, mit extrem frühem Beginn in den Jahren 2011 und 1948 (5. Mai) und später Blüte im Jahr 1980 (7. Juli). Dieselbe Tendenz lässt sich für den Beginn der Reife feststellen.

Der Zuckergehalt bei Chasselas am 20. September ergibt durchschnittlich 69,8 °Oe mit zunehmender Tendenz. Die Extremwerte liegen bei 49 °Oe im Jahre 1939 und 85,7 °Oe in 2015, sowie 85 °Oe 1945 und 1947.

Gute Anpassungsfähigkeit

Diese Ergebnisse zeigen, dass sich die Weinrebe sehr gut an klimatische Schwankungen anpasst und dass sie im Fall der Schweiz von den wärmeren Bedingungen profitiert. Gegenwärtig gehört die Rebe sicherlich zu den am besten an den Klimawandel angepassten Pflanzen. Dennoch bestehen weiterhin Fragen zum optimalen Zeitpunkt der Weinlese in Bezug auf verschiedene Parameter, welche die Weinqualität beeinflussen. Diese Parameter variieren beträchtlich je nach Verfahren, gewünschtem Weintyp, pedoklimatischen Bedingungen, Rebsorte und Klon. Es reicht nicht, früher zu ernten, um das bestmögliche Zucker-Säure-Verhältnis zu erhalten, sondern es müssen andere Reifeparameter, wie Anthocyane, Polyphenole oder Tannine berücksichtigt werden.

Flexiblere Rebsorten

Der Klimawandel erhöht den Druck von pathogenen Pilzen sowie wiederkehrenden oder neu auftretenden Schädlingen. In diesem Zusammenhang steht die Züchtung von bestens angepassten Sorten und Klonen im Zentrum der Weinbau-Forschung von Agroscope, die praktisch alle im nationalen Sortenkatalog empfohlenen Klone für die Produktion von zertifiziertem Pflanzmaterial bereitgestellt hat.

Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung, die der Anpassung der Sorten an veränderte Umweltbedingungen gewidmet ist und auf eine nachhaltige und umweltschonende Produktion zielt, ist die Züchtung von Sorten, die gegen Pilzerkrankungen resistent sind, wie die 2013 eingeführte Sorte Divico (Gamaret x Bronner). Diese Sorte erfordert nur zwei bis drei Pflanzenschutzbehandlungen, gegenüber sieben bis acht Behandlungen bei gewöhnlichen Sorten.

Neue Probleme

Das Klima ist nicht konstant und die seit mehr als 20 Jahren gemessene Erwärmung beeinflusst direkt das Verhalten sowohl der Reben als auch von Mikroorganismen. Im Kampf zwischen Pflanzen und Schadorganismen sind insbesondere Mikroorganismen aufgrund ihrer ausgeprägten Anpassungsfähigkeit gegenüber sich verändernden Umweltbedingungen und Pflanzenschutzmassnahmen im Vorteil. Rebsorten mit polygenen Resistenzen sind der einzige Trumpf, mit dem ein Vorteil für die Weinreben errungen werden kann. Die Prognose der Risiken aufgrund des jeweiligen Mikroklimas ermöglicht ausserdem eine präzise Abstimmung der Pflanzenschutzmassnahmen.

Der liberalisierte Handel mit Pflanzmaterial führt jedoch zu neuen Problemen, für die wirksame Pflanzenschutzmassnahmen noch entwickelt werden müssen. Beispiele sind die Phytoplasmen, welche für die Goldgelbe Vergilbung verantwortlich sind, Drosophila suzukii oder auch Xylella fastidiosa, das Bakterium, das die Pierce’sche Krankheit verursacht. Diese Krankheit hat zwar auf dem Europäischen Kontinent noch nicht Fuss gefasst, verschiedene Unterarten des Erregers breiten sich jedoch nach und nach in Europa aus und können bis zu 200 Wirtspflanzen befallen.

Der Weinbau in der Schweiz wird sich weiterhin der Klimaerwärmung anpassen müssen, um den Konsumentinnen und Konsumenten originelle und qualitativ hochstehende Weine aus einer nachhaltigen Produktion bieten zu können. Mit einer innovativen Forschung an einem breiten Spektrum von Rebsorten leistet Agroscope dazu einen wichtigen Beitrag.

Die Spannweite beim Austrieb ist enorm: 1990 war er am 19. März, 1956 erst am 5. Mai.

Vom ersten Blatt zur Entfaltung der Blüten.

Reifung – der Zeitpunkt der Weinlese ist entscheidend für ein gutes Ergebnis
Für eine neue Rebsorte werden Tausende von Pflanzen auf Herz und Nieren geprüft.
Mit dem Klimawandel verstärken sich bestehende Krankheiten und es kommen neue hinzu.