Gläserne Milchsäurebakterien

Claudia Wenzel und Stefan Irmler erforschen das Genom von Milchsäurebakterien, die Qualität und Aroma von Käse beeinflussen.

Milchsäurebakterien sind wichtig bei der Herstellung fermentierter Lebensmittel wie Brot, Sauerkraut, Joghurt, Käse und Wein. Mit moderner Genomik kann man heute anhand des Erbguts von Bakterien auf deren Stoffwechsel schliessen. So lässt sich die Bakterien-Vielfalt nutzen, um Sicherheit und Qualität fermentierter Lebensmittel weiter zu optimieren.

Lactobacillus casei zeichnet sich durch eine Vielfalt von Stoffwechsel-Aktivitäten aus – dieses Milchsäurebakterium kann deshalb in verschiedenen Lebensräumen leben, etwa in Pflanzenmaterial, im menschlichen Darm und in Milchprodukten. In gereiften Schweizer Rohmilchkäsesorten ist es oftmals eine der am häufigsten anzutreffenden Bakterienarten. Daher ist anzunehmen, dass es mit seiner Stoffwechsel-Aktivität die Qualität und das Aroma von Käse beeinflusst. Agroscope-Fachleute haben in Zusammenarbeit mit der Universität Bern das Erbgut von 40 Stämmen dieses Bakteriums entschlüsselt; alle stammen aus Milch und Käse. Dabei kamen modernste Sequenziertechnologien zum Einsatz.

Hohe mikrobielle Vielfalt

Die Analyse zeigte, dass die Erbgut-Grösse bei jedem der 40 Bakterienstämme unterschiedlich ist – die Spannweite reicht von 2501 bis 3078 Genen. Der Stamm mit den meisten Genen zeichnet sich also dadurch aus, dass er ganze 577 Gene mehr besitzt als derjenige mit den wenigsten Genen. Aus den Daten wurden Gene identifiziert, die in allen Stämmen vorhanden sind. Sie bilden quasi den konstanten Teil, man spricht vom Kerngenom, und machen im Mittel etwa 60 % des Erbguts aus. Die anderen 40 % sind variabel, also nicht in allen Stämmen vorhanden. Dies erklärt, wieso sich die Stämme auch durch eine hohe Vielfalt der Stoffwechsel-Aktivitäten voneinander unterscheiden.

Die molekulare Ursache für den variablen Teil im Erbgut konnte auf horizontalen Gentransfer zurückgeführt werden. Das ist ein Mechanismus, mit welchem die Bakterien Genmaterial austauschen, innerhalb der eigenen Art und mit anderen Bakterienarten.

Grenzen überschreiten

Die Funktion von Genen zeigt sich unter anderem in äusserlichen (phänotypischen) Merkmalen wie z.B. Stoffwechsel-Aktivitäten. Mit genomweiten Assoziationsstudien wird erforscht, wie bakterielle Gene mit phänotypischen Merkmalen zusammenhängen. So entdeckte man etwa, dass einige Stämme von Lactobacillus casei die schwefelhaltige Aminosäure Methionin in eine andere schwefelhaltige Aminosäure, Cystein, umwandeln können. Dies ist eine bislang selten beschriebene bakterielle Stoffwechsel-Aktivität und für die Bildung von schwefelhaltigen Aromastoffen in Käse von Bedeutung.

Mit diesem Vorgehen können somit aus komplexen Genomdatensätzen wichtige neue Erkenntnisse gewonnen werden – in Zukunft vielleicht auch für Fragestellungen wie z.B. zur Antibiotika-Resistenz, zum Überleben unter Hitzeeinwirkung und oxidativem Stress im Fermentationsprozess, zur Aroma- und Gasbildung in Lebensmitteln und zu gesundheitsfördernden Eigenschaften.

Geringe Kosten

Die in diesem Projekt angewandte Technologie wird oft als «Next-Generation Sequencing» bezeichnet. Sie basiert darauf, dass Millionen von Sequenzierreaktionen parallel in miniaturisierter Form durchgeführt werden. Die Reihenfolge der Bausteine, aus denen sich das Erbgut eines Organismus zusammensetzt, ist anschliessend im Computer lesbar. Damit ist es möglich, das Genom von Bakterien in wenigen Tagen mit relativ geringen Kosten zu entschlüsseln.

Dank dieser Genomstudie verfügt Agroscope über wichtiges Grundlagenwissen, um bakterielle und biotechnologische Fragestellungen rund um fermentierte Lebensmittel zu bearbeiten. Das hilft mit, Qualität und Sicherheit dieser Lebensmittel weiter zu optimieren.

Jeder Handgriff sitzt: Vorbereitungen am Sequenzier-Gerät
Präzise Aufbereitung der Probe für die Messung
Einführen der Probe ins Messgerät für den Start der Sequenzier-Reaktion