Sauerbrut: Schweizer Bienen besonders betroffen

Rund 180 000 Bienenvölker leben in der Schweiz – sie bestehen aus jeweils mehreren 10 000 Einzelbienen. Neben ihre Bestäubungsleistung werden auch ihre Produkte wie Honig oder Wachs geschätzt. Die Haltung von Nutztieren in so hoher Dichte führt jedoch oft zu Problemen mit Krankheiten wie etwa der Europäischen Faulbrut, welche die Schweizer Bienenbestände bedroht. Das Zentrum für Bienenforschung von Agroscope hat zum Ziel, diese Krankheit besser zu verstehen, um eine Strategie dagegen zu finden. Ein Fokus liegt auf der Genetik der Bienen-Königinnen.

Die Europäische Faulbrut, auch unter dem Namen Sauerbrut bekannt, wird durch das Bakterium Melissococcus plutonius ausgelöst. Der Erreger gelangt über die Nahrung in den Verdauungstrakt junger Honigbienenlarven; dort liefert es sich einen Konkurrenzkampf um Nährstoffe mit der Larve. Häufig kommt es zudem zu weiteren Infektionen mit noch anderen Keimen. Kranke Larven verfärben sich in der Folge gelb-bräunlich und riechen – wie der Name sagt – säuerlich. Schliesslich zersetzen sie sich zu einer schleimigen Masse. Das Sauerbrut-Bakterium kann sich in erwachsenen Bienen, im Wachs, im Pollen und im Honig befinden, stellt aber für den Menschen keine Gefahr dar.

Kann zum Kollaps führen

Im Volk sind Ammenbienen für die Aufzucht der Brut verantwortlich. Sie überprüfen regelmässig die Brut und füttern die Larven mit einem Sekret aus ihren Futtersaftdrüsen, vermischt mit Honig und Pollen. Die Ammenbienen teilen die Nahrung zwischen den Larven auf. Tragen Ammenbienen das Bakterium in sich, stecken sie die Brut an. Darüber hinaus ist die Bienenbrut in den Zellen auf engstem Raum untergebracht, was die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten zusätzlich begünstigt.

Breitet sich die Erkrankung innerhalb des Bienenvolkes aus, kann dies zum Absterben der Brut und sogar zum Kollaps der gesamten Kolonie führen. Kranke und geschwächte Bienenvölker werden oft von stärkeren Völkern ihres Honigs und Pollens beraubt, was zur Ansteckung gesunder Völker führen kann.

Meldepflichtige Seuche

In der Schweiz ist die Sauerbrut eine meldepflichtige Seuche, und die Massnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung durch die Tierseuchenverordnung geregelt. Kommt es zu einem Ausbruch, rückt der Bieneninspektor aus. Er untersucht die Völker des Bienenstandes und tötet sämtliche befallenen Völker ab. Verseuchtes Imkermaterial ist ordnungsgemäss zu reinigen oder zu entsorgen. Zudem wird eine Sauerbrut-Sperrzone im Umkreis von einem Kilometer um den betroffenen Stand errichtet, innerhalb welcher der Bieneninspektor sämtliche Bienenstände kontrolliert. Diese Massnahmen können die weitere Ausbreitung und den entstehenden Schaden zwar eindämmen; nach wie vor fehlt jedoch das Verständnis für die Krankheit, um einen ganzheitlichen Lösungsansatz zu finden.

Häufig in der Region Bern

Es ist bis heute nicht bekannt, warum die Sauerbrut in der Schweiz – und hier vor allem im und um den Kanton Bern – so häufig auftritt, während sie in den Nachbarländern vergleichsweise selten ist. Neben der hohen Bienenstandsdichte oder Unterschieden in der Imker-Praxis verdächtigen Forschende auch die Vielfalt des Erregers. Die Analyse des Erregers schweizerischen Ursprungs ergab, dass hierzulande mindestens dreizehn genetisch unterschiedliche Typen von Melissococcus plutonius existieren.

Diese genetischen Unterschiede können bei Bakterien etwa die Unabhängigkeit von bestimmten Nährstoffen für das Wachstum bedeuten, oder auch eine abgeschwächte oder erhöhte Virulenz dem Wirt gegenüber. Agroscope-Forschende testeten die Virulenz des Sauerbruterregers im Labor; es zeigte sich, dass drei der getesteten Erreger bei den Bienen deutlich höhere Sterblichkeitsraten verursachten.

Mögliche Toleranz der Bienen

In Bienenständen mit akutem Ausbruch der Europäischen Faulbrut findet man oft direkt neben erkrankten Völkern auch Bienenvölker ohne Krankheitssymptome; diese Völker sind möglicherweise tolerant gegenüber der Erkrankung. So wie die Virulenz des Erregers könnte auch die Toleranz der Bienen gegenüber der Krankheit genetisch bedingt sein – vererbt über die Königin. Untersuchungen erkrankter und symptomloser Völker von Bienenständen mit akutem Sauerbrutausbruch zeigten klar: Zwischen den Königinnen beider Gruppen bestehen Unterschiede.

Die Arbeiten hierzu sind noch nicht abgeschlossen, und es ist noch nicht klar, ob die beobachteten Unterschiede tatsächlich genetischen Ursprungs sind. Das Zentrum für Bienenforschung von Agroscope verfolgt deshalb ein Zuchtprogramm, das helfen soll, die genetische Architektur der Toleranz gegenüber der Sauerbrut bei Honigbienen aufzudecken.

Der Sauerbrut auf der Spur: Agroscope-Fachleute nehmen Proben in Bienenstöcken.
Infektionsversuche im Labor mit dem Bakterium Melissococcus plutonius, dem Erreger der Europäischen Faulbrut
Auf Nektarsuche im Raps