Etliche Früchte- und Gemüsekulturen werden in der Schweiz auf relativ kleinen Flächen angebaut. In solchen Fällen lohnt sich für Firmen hierzulande ein teures Zulassungsverfahren für ihre Pflanzenschutzmittel oft nicht. Doch Schweizer Landwirtinnen und Landwirte sind auf wirksame und umweltschonende Pflanzenschutzmittel angewiesen. Hier springt der Bund ein. Fachleute von Agroscope und weiteren Bundesämtern beschaffen in diesen Fällen die Grundlagen für die Beurteilung der Pflanzenschutzmittel. Aufgrund dieser Studien entscheidet das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) über eine Zulassung.
Früchte und Gemüse in perfekter Qualität und frei von Schädlingen und Krankheitssymptomen – genau so mögen es Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten. Um diese Qualität zu gewährleisten, müssen Landwirtinnen und Landwirte Massnahmen ergreifen. Vorbeugend schützen Regendächer Beeren und Kirschen vor Nässe und damit vor Pilzbefall. Netze halten die Kirschenfliege und die Kirschessigfliege von den Früchten fern. Ein Karottenanbau an windexponierten Flächen verringert den Befall mit Möhrenfliegen. Das sind nur einige Beispiele von Massnahmen, die ohne Pflanzenschutzmittel auskommen. Doch ganz ohne deren Einsatz könnte das heute geforderte Niveau bezüglich Menge und Qualität weder in der Integrierten Produktion noch im Bio-Anbau erreicht werden.
Lücken schliessen
Damit Landwirtinnen und Landwirte bei Pflanzenschutzmittel-Einsätzen die Umwelt schonen und Rückstände auf den Produkten vermeiden können, dürfen Pflanzenschutzmittel nur nach einem aufwändigen Zulassungsverfahren eingesetzt werden. Dabei werden sie eingehend geprüft – auf ihre Eignung für den Schutz der Kulturen sowie auf ihre Unbedenklichkeit gegenüber der Umwelt, den Anwendenden und der Konsumentenschaft. Die Firmen müssen die Studien selber finanzieren, auf denen die Markt-Zulassung basiert. Und genau dort liegt das Problem: Oft übersteigt der finanzielle Aufwand für diese Studien die zu erwartenden Einnahmen durch den Verkauf der Mittel. Deshalb erstaunt es nicht, dass die Industrie für kleinflächige Kulturen nur zurückhaltend Gesuche für die Zulassung stellt.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Zum Beispiel wurde Rucola 2014 in der Schweiz auf gesamthaft 81 ha angebaut. Die Kosten für eine Behandlung gegen den Falschen Mehltau auf dieser Anbaufläche liegen, je nach eingesetztem Fungizid, bei rund 8000 Franken pro Jahr. Bei einem solch geringen Umsatz lohnt sich keine Studie. Für über dreissig weitere Gemüsearten, darunter zum Beispiel Aubergine, Kefe, Speisekürbis, Petersilie, Radieschen, Schnittlauch und Zuckermais sind wegen der geringen Anbaufläche ebenfalls kaum Zulassungsgesuche für Pflanzenschutzmittel eingegangen. Hier muss die landwirtschaftliche Forschung des Bundes aktiv werden, damit Schweizer Landwirtinnen und Landwirte die dringend benötigten Pflanzenschutzmittel legal kaufen und sicher einsetzen können.
Erleichterte Zulassung
Das Gesetz sieht für Kulturen mit kleiner Anbaufläche Erleichterungen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln vor, falls für den beantragten Einsatz die Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt erwiesen ist. Die Fachleute von Agroscope leisten dabei wertvolle Detektivarbeit, indem sie zuerst abklären, welche der noch nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittel die besten Aussichten auf eine Zulassung haben. Oft lohnt sich dabei der Blick über die Grenzen, wo möglicherweise ein Produkt schon bewilligt ist. Ergänzend führt Agroscope oft selber Versuche durch, um die Wirkung potenziell einsetzbarer Mittel unter Schweizer Klima- und Anbaubedingungen zu testen. Bei guten Erfolgsaussichten ist die Gemüsebranche bereit, die notwendigen Analysen zu allfälligen Rückständen auf den Erntegütern zu bezahlen. Mit dieser Unterstützung können Firmen mit zumutbarem Aufwand ein Bewilligungsgesuch beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) stellen.
Fälle priorisieren
Agroscope hat 2014 von den vielen Pflanzenschutz-Lücken im Gemüsebau die fünfzig wichtigsten Fälle bearbeitet. Die Priorisierung dieser Fälle hat die Branche vorgenommen. Agroscope konnte bereits dreizehn Lücken schliessen und in zehn weiteren Fällen dazu beitragen, dass die betreffenden Pflanzenschutzmittelfirmen ein Bewilligungsgesuch beim BLW einreichen konnten. Oftmals geht einer Neubewilligung eine mehrjährige Bearbeitung voraus, wie im Falle der Milben, die in der Chicorée-Treiberei seit mehreren Jahren verstärkt auftreten. Diese werden von der Konsumentenschaft auf den verkaufsfertigen Chicorée-Zapfen als störend wahrgenommen. Gemeinsam mit den zuständigen regionalen Fachstellen für Gemüsebau hat Agroscope Untersuchungen zur Wirksamkeit und Rückstandssituation diverser Pflanzenschutzmitttel durchgeführt. Aufgrund dieser Resultate konnte 2014 ein erstes Mittel, das auch im Bio-Anbau zulässig ist, für die Anwendung beim Treibbeginn der Chicorée-Wurzeln bewilligt werden.
Im Gemüsebau treten auch immer wieder bisher unbekannte Pilzkrankheiten wie zum Beispiel ein Falscher Mehltaupilz auf, der Rhabarber nach der Ernte so stark befallen kann, dass ein grosser Teil der Blattfläche vorzeitig abstirbt. In Versuchen konnten inzwischen eine Bekämpfungsstrategie entwickelt und Rückstandsstudien realisiert werden. Letztere wurden vom Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) aus einem eigens für Rückstandsanalysen geäufneten Fonds finanziert. Auf diese Weise war es Firmen möglich, Bewilligungsgesuche für Fungizide zu stellen, welche wesentlich zur Entschärfung des Falschen Mehltaus bei Rhabarber beitragen.
Früchte und Gemüse in perfekter Qualität und frei von Schädlingen und Krankheitssymptomen – dank des dargelegten Vorgehens bekommen Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten genau das auf ihre Teller.