Vor einer Erneuerung von Be- und Entwässerungs-Systemen und Bodenverbesserungs-Massnahmen sollten Alternativen in Betracht gezogen werden. Die Wertschätzung für zeitweise überflutete Böden dürfte sich markant erhöhen, wenn in den nächsten Jahren die Reisproduktion auf solchen Flächen Fuss fasst. Zudem würde der Anbau von Reis auf temporär gefluteten Flächen zu neuen Feuchtgebieten führen. Die in solchen Gebieten vorkommenden Tier- und Pflanzenarten sind heute wegen fehlender Lebensräume besonders stark gefährdet. Der Reisanbau könnte einerseits diese Arten fördern und andererseits neue, wettbewerbsfähige Schweizer Produkte auf den Markt bringen. Langjährige Erfahrungen aus dem Tessin mit Trockenreisanbau zeigen: Die Nachfrage nach inländischem Risottoreis ist sehr hoch.
Geschichte Nassreis-Anbau bei Agroscope
2017: Ein erster Pilotversuch wurde 2017 in der Grenchener Witi auf einer kleinen Parzelle von 30m2 in Zusammenarbeit mit dem Landwirt Hans Mühlheim durchgeführt. Unterstützt wurde der Versuch vom Kanton Solothurn, Raumplanungsamt, Abteilung Natur und Landschaft. Der Reis wurde in Direktsaat und mit vorgezogenen Setzlingen angebaut. Der Versuch mit den Setzlingen war ein voller Erfolg. Ende August konnten hochgerechnet 1.3 t ha-1 Rohreis geerntet werden. Ohne Verluste durch Vogelfrass wäre der Ertrag wohl doppelt so hoch gewesen. Gleichzeitig war das Reisfeld Lebensraum für einige seltene Tier- und Pflanzenarten.
2018: 2018 wurde auf einer etwas grösseren Fläche von ca. 20 Aren in Schwadernau bei Biel an der Aare in Zusammenarbeit mit dem Bewirtschafter Hans Mühlheim Nassreis angebaut. Wieder war die Ernte Ende August erfolgreich. Der Rohreis-Ertrag betrug bis zu 8 t ha-1 im Setzlingsanbau.
2019: 2019 lief in Zusammenarbeit mit der HAFL eine etwas grössere Pilotphase im Rahmen eines vom BLW, BAFU, dem Kanton Aargau, dem Kanton Bern und dem Kanton Waadt finanzierten Projektes. Auf insgesamt 6 Feldern wurden in Zusammenarbeit mit der IG-Nassreis in mehreren Regionen des Mittellandes verschiedene Anbaumethoden (Direktsaat/Setzlinge) und Sorten getestet und der Einfluss auf die Biodiversität beobachtet. Der Reis konnte auf allen Feldern zur Reife gebracht werden, der Ertrag war allerdings sehr variabel.
Reisanbautechnik in den Pilotversuchen
Im Rahmen verschiedener Pilotprojekte wurden in Zusammenarbeit mit 5 Landwirtschaftsbetrieben mehrere Anbautechniken für insgesamt 6 Reissorten (Carnaroli, Loto, Manobi, Onice, Paty, Jasberry) getestet.
Feldvorbereitung
Für den Nassreisanbau wurden die Felder mit Präzisionsnivelliergeräten geebnet, um einen möglichst homogenen Wasserstand zu erreichen.
Reisansaat / Pflanzung
Folgende Techniken wurden im Rahmen verschiedener Pilotstudien getestet:
- Direktsaat
- Vorgekeimtes Saatgut
- Im Geächshaus vorgezogene Setzlinge
Flutung
Die Felder wurden zwischen Ende April und Ende Mai geflutet und ein Wasserstand von ungefähr 5-15 cm konstant bis ungefähr 3 Wochen vor der Ernte gehalten. Das Wasser wurde je nach Lage der Felder aus Drainagekanälen, Kanälen oder Flüssen gepumpt.
Unkrautbekämpfung
Die Ausbreitung der Hühnerhirse verursachte auf den Pilotfeldern die grössten Probleme. Für den Gewässerschutz und zur Förderung der Biodiversität wurde auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichtet. Gejätet wurde auf allen Feldern von Hand.
Ernte
In Kleinparzellenversuchen wurde von Hand, auf den grösseren Flächen mit konventionellen Mähdreschern geerntet.
Biodiversität
Die Nassreisfelder zeigten ein grosses Potential zur Förderung gefährdeter nässeliebenden Pflanzen- und Tierarten. Die Unterschiede zwischen den Pilotfeldern waren aber sehr gross. Die Gründe werden in der unterschiedlichen Nähe zu bestehenden Populationen und dem Zeitpunkt der Flutung vermutet. Ein vielversprechendes Element ist die Einrichtung eines vertieften Wassergrabens (15 bis 20cm) von 2-3m Breite am Feldrand, der schon ab Mitte April, bevor das Reisfeld geflutet wird, mit Wasser gefüllt werden kann.
2017: Schon die kleine Reisparzelle in der Grenchener Witi war 2017 Lebensraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Es wurden unter anderem Laubfrösche, Kreuzkröten und Bekassinen beobachtet.
2018: Im etwas grösseren Reisfeld bei Schwadernau wurden 2018 zahlreiche Libellen, Bekassinen und Teichlinsen beobachtet.
2019: Auf den 6 Pilotfeldern in Bavois, La Sauge, Witzwil, Schwadernau und Brugg wurden insgesamt 6 Nässe liebende Pflanzenarten mit Rote Liste Status gefunden. Unter ihnen ist die stark gefährdete Eiköpfige Sumpfbinse (Eleocharis ovata). Weiter wurde die stark gefährdete gebänderte Heidelibelle und 4 weitere gefährdete Libellenarten beobachtet. In verschiedenen Feldern wurde die Bekassine mehrfach beobachtet und im Reisfeld am Wasserschloss bei Brugg entwickelten sich hunderte Laubfrösche im Feld. Ringelnattern wurden ebenfalls mehrfach in verschiedenen Feldern beobachtet.
Publikationen
Ökologischer Nassreis-Anbau auf vernässenden Ackerflächen in der Schweiz
(Faktenblatt agridea: Informationen zur Anbautechnik und zur Förderung der Biodiversität auf Nassreisfeldern)
Multimedia
RTS, 8.12.2022: La culture du riz commence à se développer en Suisse romande. C'est une des conséquence du réchauffement climatique
Radio 1, 16.11.2022: Der Reisanbau in der Schweiz fördert seltene Arten
Yvonne Fabian im Interview (MP3, 2 MB, 22.11.2022)Agroscope-Projektleiterin Yvonne Fabian erklärt, weshalb der Reisanbau in der Schweiz heute möglich ist und erst noch die Biodiversität erhöht.
SRF, nano vom 30.09.2021: Nassreis-Anbau: Win-win für Landwirte & Artenschutz
Schweiz aktuell, 23.10.2019: Nassreisanbau im Seeland
ETH Vortrag, Yvonne Fabian: Nassreis-Anbau als Erfolgsgeschichte
Schweiz aktuell, 2.07.2019: Reis aus dem Schweizer Seeland
Partner
- Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL
- IG Nassreis
- Bundesamt für Landwirtschaft BLW
- Bundesamt für Umwelt BAFU
- Kantone Aargau, Bern, Fribourg, Solothurn, Waadt und Wallis
- Landwirtschaftsbetriebe von Leandre Guillod (FR), Stephan Angst (VS), Alain Salzmann (VD), JVA Witzwil (BE), Stephan Gerber (BE), Sandro Märki (AG), Fredy Umbricht(AG), Janis Looser (AG), Michael Rüttimann (AG), Peter & Mathias Suter (AG), Lukas & Natalie Neuhaus (AG), Schwarz AG (AG)
- Vogelwarte Sempach und Wallis
- Koordinationsstelle für Amphibien- & Reptilienschutz in der Schweiz (karch)
- Agridea
- SNF Bridge discovery fund
- Ernst Göhner Stiftung
- Soil Science Unit, Institute of Geography, University of Bern