Gesundheitswirkung fermentierter Lebensmittel

Grégory Pimentel untersucht Blutproben per Massenspektrum-Analyse.

Seit mehr als 6000 Jahren konsumiert der Mensch fermentierte Lebensmittel, die aus einem natürlichen mikrobiologischen Prozess hervorgehen. Der ursprüngliche Zweck der Fermentierung war die Verbesserung der Haltbarkeit. Durch die Möglichkeit, bei der Fermentierung neue organoleptische Eigenschaften hinzuzufügen, hat das Angebot an fermentierten Lebensmitteln stark zugenommen, wobei gesundheitsbezogene Eigenschaften deren Potenzial zusätzlich erhöhen. 

Durch Fermentation lässt sich eine grosse Vielfalt an Lebensmitteln herstellen. Gemäss neuesten Schätzungen machen diese bis zu einem Drittel unserer Ernährung aus. Am Standort Liebefeld wurde 1901 die erste Versuchskäserei eingerichtet. Daher verfügt Agroscope über ein mehr als 100jähriges Know-how, das zur Erarbeitung einer Sammlung von über 13‘000 Isolaten, mehrheitlich bestehend aus Lactobakterien, geführt hat. 1907 hat der Nobelpreisträger Elie Metchnikoff vom Institut Pasteur die Hypothese aufgestellt, dass Lactobakterien die mikrobielle Zusammensetzung im Darm regulieren und folglich die Lebenszeit des Menschen verlängern könnten. Diese Forschungsarbeiten stellten die Anfänge der Probiotikaforschung dar, aber die Wissenschaft verfügte damals noch nicht über die notwendige Analytik, um die Komplexität der Interaktionen zwischen Nah­rungsmitteln, Darmflora und menschlichem Stoffwechsel zu beurteilen. Zahlreiche Studien, welche die positiven Auswirkungen fermentierter Nahrungsmittel auf die Gesundheit (Verdauung und Nährstoffaufnahme, Vitaminsynthese, Regulierung des Immunsystems, Schutz gegen die Vermehrung von Krankheitserregern, Regulierung der Darmflora) dokumentierten, basierten auf nur wenigen gesundheitsbezogenen Angaben.

Die «omik»-Technologien

Im Jahr 2001 ermöglichte die Genomik die vollständige Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Dieser Meilenstein hat zusammen mit anderen «omik»-Technologien zu einem grundlegenden Wandel geführt. Mit Hilfe der Bioinformatik können diese Technologien alle Moleküle der gleichen Kategorie analysieren. Die Anwendung in den Lebensmittelwissenschaften (foodomics) und Ernäh­rungswissenschaften (Nutrigenomik) erlaubt es, die Art und Weise, wie Lebensmittel mit unserem Organismus interagieren, detailliert zu untersuchen. Das Tätigkeitsfeld «Funktionelle Ernährungsbiologie» nutzt die innovativen Technologien, um das Potenzial der Bakterienkulturen-Sammlung von Agroscope unter dem ernährungswissenschaftlichen und dem gesundheitlichen Aspekt wissenschaftlich auszuwerten.

Forschung im Dienste unserer Gesundheit

Derzeit laufen bei Agroscope Ernährungsstudien, um den Einfluss des Konsums fermentierter Lebensmittel auf den menschlichen Stoffwechsel zu untersuchen. Da Milch ein idealer Träger ist, um den menschlichen Organismus mit Bakterien und Fermentationsprodukten zu versorgen, werden in diesen Forschungsarbeiten Milchprodukte als Lebensmittel verwendet. Die molekulare Zusammensetzung und der genomische Inhalt der Bakterien in den verwendeten Produkten wird sowohl mit metabolomischen wie auch genomischen Techniken gemessen. Die Messung der Reaktionen des Stoffwechsels der Studienteilnehmenden erfolgt mit Hilfe von zahlreichen Analysetechniken: Serologische Messung chemisch-klinischer Parameter (Glucose, Insulin, Triglyceride, Cholesterol), Quantifizierung des serologischen Metaboloms, quantitative Messung von 25‘000 RNA-Molekülen aus dem Genom der Blutzellen sowie genetische Charakterisierung der Zu­sammensetzung der Fäkalmikroflora. Die Humanstudien werden ausserdem durch In-vitro-Untersuchungen der Verdauung und des intestinalen Nährstofftransports ergänzt.

Die Stärke, aber auch die Herausforderung dieser Forschungsstrategie besteht in der Kombination der Ergebnisse aller Analysen, um daraus eine ganzheitliche Information gewinnen zu können. Damit kann der in der Vergangenheit vorherrschende molekulare Reduktionismus durch eine eher physiologische Interpretation der Ergebnisse von Ernährungsstudien ersetzt werden. In einer ersten Phase werden die oben beschriebenen analytischen Werkzeuge entwickelt. Diese können dann in einer zweiten Phase den wissenschaftlichen Prozess unterstützen, um die gesundheits- und ernährungsbezogene Wirkung von fermentierten Produkten zu untersuchen.

Zusammenarbeit und Netzwerke

Ein so ehrgeiziges Projekt erfordert eine intensive Zusammenarbeit in nationalen und internationalen Netzwerken wie NutriChip (EPFL), Function Fermented Food (CHUV), Food Biomarker Alliance (JPI) und Nutrition Researcher Cohort (NuGO). Der innovative, transdisziplinäre und aus der «Funktionellen Ernährungsbiologie» angeliehene translationale Ansatz entspricht voll und ganz der Vision von Agroscope. Ziel ist es dabei, die notwendigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erarbeiten, um die gesunden Lebensmittel aus der Schweizer Landwirtschaft zu nutzen und dadurch die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Lebensmittelbetriebe zu fördern.

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Milchprodukte können Menschen mit erwünschten Bakterien versorgen.
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