Gentechnik-Moratorium: Die verbleibenden Chancen nutzen

Gentechnik-Moratorium: Die verbleibenden Chancen nutzen

Roland Peter - Leiter Forschungsbereich Pflanzenzüchtung

Der Klimawandel schreitet immer schneller voran. Um für unsere Landwirtschaft rasch neue Sorten zu züchten, die unter extremen Bedingungen gut gedeihen, sind herkömmliche Methoden zu langsam. Neue und schnellere Züchtungstechnologien stehen bereit. Doch sie fallen unter das Gentechnik-Gesetz – obwohl sie natürliche Prozesse in der Pflanze nutzen.

Forschende von Agroscope haben eine neue Züchtungsmethode entwickelt. Diese nutzt natürliche Mechanismen der Pflanzen, damit sie sich in Stresssituationen beispielsweise an Hitze und Trockenheit anpassen können (siehe Kasten). Doch obwohl kein fremdes Erbgut eingebaut wird und sie ähnlich wie seit Jahren akzeptierte Mutationszüchtungen funktioniert, gilt die neue Methode gemäss Gesetz als Gentechnik. Dadurch sind die Hürden für Freilandversuche sehr hoch. Neben einer aufwändigen Bewilligung braucht es eine gesicherte Anlage wie die Protected Site bei Agroscope in Reckenholz ZH, um Biosicherheitsvorschriften zu erfüllen. Die Auswirkungen: Laufende Forschungsprojekte werden beeinträchtigt oder abgebrochen und weitere Innovationen verhindert.

Züchtungsforschung wird eingefroren

Das Gentechnik-Moratorium wird voraussichtlich ein viertes Mal bis 2025 verlängert. Durch die neu verankerte Forderung einer «history of safe use» für neue Züchtungstechnologien werden alle neuen Methoden in den gleichen Topf geworfen. Selbst wenn die Veränderung auch in der Natur spontan entstehen könnte. Aus wissenschaftlicher Sicht ist dies eine verpasste Chance.  Die Folge: Statt konkrete, für die Schweizer Landwirtschaft nützliche Pflanzen zu entwickeln, bleibt es bei der Grundlagenforschung. Unsere Züchtungsforschung wird eingefroren.

Um aus dieser innovations- und forschungshemmenden Situation herauszukommen, braucht es künftig klare, verhältnismässige Regeln. Folgende Fragen stehen aus Sicht der Forschung im Vordergrund, damit die kommenden vier Jahre positiv genutzt werden können:

  1. Welche Forschung wird gefördert, um die Sicherheitsbedenken zu untersuchen und eine fallweise Risikoabschätzung zu ermöglichen?
  2. Wie können neue Methoden aufgrund ihrer Risikobeurteilung kategorisiert und geregelt werden?
  3. Wie soll eine «history of safe use» für neue Methoden definiert werden, und wann wird sie erforderlich?
  4. Letztlich geht ein allfälliges Risiko von der Pflanze aus und nicht von der verwendeten Methode. Wie könnte daher eine umfassende Risikobewertung der zuzulassenden Sorten aussehen, die unabhängig von den eingesetzten Technologien ist?

Moderne Pflanzenzüchtung – Schlüssel für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft

Die neuen Methoden, wie z.B. auch CRISPR/Cas, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, haben ein grosses Potenzial, die Herausforderungen der Land- und Ernährungswirtschaft zu meistern. Etwa wenn es darum geht, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren und gleichzeitig eine sichere Ernte zu erzielen. Zudem braucht es im Hinblick auf den Klimawandel rasche, nachhaltige und sichere Lösungen, um auch in Zukunft genügend Lebensmittel zu produzieren. Ein Schlüssel hierzu ist eine moderne leistungsfähige Pflanzenzüchtung. Die Welternährungsorganisation FAO empfiehlt explizit neue Züchtungsmethoden, um die weltweite Ernährungssituation zu verbessern. Die Schweiz muss wissenschaftliche Erneuerungen und Innovationen bestmöglich unterstützen. Erste Schritte dafür sind auch mit einem verlängerten Gentech-Moratorium möglich. Diese verbleibenden Chancen sollten unbedingt genutzt werden.

Letzte Änderung 12.11.2021

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