Die Nitratkonzentrationen in den Grundwasserfassungen des Dünnerngrundwasservorkommens in der Region Niederbipp-Gäu-Olten, der Kantone Solothurn und Bern, überschreiten seit mehreren Jahrzehnten das Qualitätsziel der Gewässerschutzverordnung von 25 mg NO3/L, obwohl seit dem Jahr 2000 Minderungsmassnahmen umgesetzt werden (im Rahmen eines Nitratprojekts nach Artikel 62a Gewässerschutzgesetz (GSchG)). Das bestehende Massnahmenpaket soll deshalb abgelöst werden. Die Forschungsgruppe Gewässerschutz und Stoffflüsse von Agroscope und das Gutachterbüro TerrAquat wurden beauftragt, Empfehlungen für ein neues Massnahmenpaket zu erstellen. Dazu wurden in einem ko-kreativen Prozess Vorschläge und Zwischenergebnisse mit Interessenvertretenden aus Landwirtschaft, Verwaltung, Wasserversorgung und Verbänden in mehreren Workshops diskutiert und gemeinsam Richtungsentscheidungen für die weitere Entwicklung gefällt. Insgesamt fanden vier Workshops im Zeitraum zwischen August 2022 bis März 2023 statt. Der vorliegende Massnahmenkatalog bildete die Diskussionsgrundlage für den ersten dieser Workshops und für die spätere Zusammenstellung von Massnahmenpaketen. Ziel war es, Einzelmassnahmen, welche sich grundsätzlich eignen, Nitrateinträge ins Grundwasser zu reduzieren, zusammenzustellen und daraus die geeignetsten Massnahmen für ein neues Massnahmenpaket im Nitratprojekt Niederbipp-Gäu-Olten zu identifizieren. Weitere Informationen zum Projekt findet man online unter Nitratprojekt Niederbipp-Gäu-Olten. Die vorgestellten Einzelmassnahmen stammen aus bestehenden Massnahmenkatalogen und wurden für die Situation in der Region kommentiert und in Form von Steckbriefen aufgearbeitet. Die Steckbriefe enthalten dabei jeweils eine kurze Beschreibung der Massnahme, die Wirkungs- und die Umsetzungsebene und geben eine Perspektive auf Konsequenzen sowohl für das Grundwasser als auch für die Landwirtschaft. Daneben wurden Verbindungen zu anderen Nitrat- und Grundwasserschutzprojekten in der Schweiz und Deutschland aufgezeigt, um die Umsetzbarkeit von spezifischen Einzelmassnahmen und Massnahmenpaketen zu demonstrieren. Zu jeder Massnahme sind ausserdem sowohl wissenschaftliche Fachliteratur als auch praxisrelevante Merkblätter aufgelistet. Die Aufarbeitung in Steckbriefform erwies sich im Prozess als hilfreich und bietet die Möglichkeit, sich schnell einen Überblick zu verschaffen und bei Bedarf in die Literatur zu vertiefen. Insgesamt sind im vorliegenden Massnahmenkatalog 96 Einzelmassnahmen enthalten, welche in die acht Kategorien Düngung, Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Tierhaltung, Landnutzung, Beratung und Bildung, Sonstiges und Spezialmassnahmen Gemüsebau gegliedert sind. Die Effekte und die Wirkungsweise der aufgelisteten Massnahmen decken ein sehr breites Spektrum ab. Sie reichen von indirekter Wirkung mit schwer abschätzbarem Effekt auf das Grundwasser bis zu quantitativ überprüfbaren Massnahmen, welche eine Reduktionswirkung im zweistelligen Kilogrammbereich N pro Hektar haben. Es ist auffällig, dass Massnahmen aus der Kategorie Düngung in der Schweiz bisher sehr wenig Beachtung und Anwendung finden, im internationalen Kontext aber als eine der wichtigsten Kategorien im Landwirtschaftlichen Grundwasserschutz angesehen werden. In Anbetracht der vielen auch nachweisbar wirksamen Massnahmen sollten geeignete Massnahmenkombinationen das Nitratproblem im bedeutenden Dünnerngrundwasser der Region Niederbipp-Gäu-Olten, dem grössten Nitratprojekt der Schweiz, lösen, wenn sie von Landwirtschaft, Beratung und Vollzug akzeptiert und konsequent umgesetzt werden. Das Projekt kann somit als Beispiel für andere Regionen in der Schweiz mit ähnlichen Problemen fungieren. Die Umsetzbarkeit von Massnahmen und deren Wirksamkeit muss aber in jedem Fall regions- bzw. gebietsspezifisch bewertet werden.