Mikroalgen – eine nachhaltige alternative Proteinquelle?
Das Potenzial von Mikroalgen ist immens. Deshalb erforscht Agroscope die Möglichkeit, diese Mikroorganismen für Futtermittel zu verwenden.
Im Rahmen des langfristigen Projekts «Algafeed» möchten Forschende von Agroscope mit Mikroalgen eine neue Proteinquelle für die Fütterung von Nutztieren erschliessen. Dazu sollen direkt auf dem Bauernhof Systeme zur Produktion von Mikroalgen, sogenannte Photobioreaktoren (PBR), eingerichtet werden. Ziel ist die Entwicklung eines dezentralen Produktionssystems für Mikroalgen, mit dem proteinreiches Futter lokal hergestellt und die Einfuhr von Sojaschrot reduziert werden kann.
Welche Vorteile bieten Mikroalgen?
Mikroalgen sind eine interessante Alternative zu Soja, da sie eine sehr ausgewogene biochemische Zusammensetzung mit essentiellen Aminosäuren, Polysacchariden, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Mineralstoffen, Pigmenten und Ballaststoffen aufweisen. In Bezug auf ihre ernährungsphysiologischen Eigenschaften sind Mikroalgen mit Soja vergleichbar.
Für die Produktion von Mikroalgen wird kein Ackerland benötigt: Die PBR werden entweder auf nicht bewirtschafteten Flächen wie entlang von Fassaden oder auf den Dächern von landwirtschaftlichen Gebäuden installiert, oder sie werden in Kulturen integriert, wie z. B. in Hors-sol-Kulturen oder durch Hängesysteme über Kulturen, die Teilschatten benötigen. Die Mikroalgenproduktion steht also in keiner Weise im Wettbewerb mit Pflanzenkulturen (Futterpflanzen, Gemüse) auf Ackerboden. Das eingesetzte Wasser kann rezykliert werden und es werden keine überschüssigen Düngemittel in die Umwelt abgegeben, wodurch die Umweltbilanz im Vergleich zu Soja günstiger ausfällt.
Der Rohproteingehalt von Mikroalgen kann bis zu 60 Massenprozent erreichen, der Proteingehalt von Sojabohnen liegt bei 36 Prozent. Pro Hektar und Jahr kann mit Mikroalgen im Vergleich zu Sojabohnen etwa 30 Mal soviel Protein produziert werden.
Die neue Proteinquelle würde eine nachhaltige und autonome Versorgung mit Proteinen ermöglichen und wäre zudem "Swiss Made". Das Protein würde direkt dort produziert, wo die Tiere gehalten werden. Damit erhält der Landwirtschaftsbetrieb die volle Kontrolle über die Futtermittelproduktionskette. Ausserdem könnten Mikroalgen mit Nährstoffen kultiviert werden, die aus Abfällen der Schweizer Lebensmittelindustrie stammen.
Mikroalgen können CO2 in Biomasse umwandeln, wodurch die Treibhausgasemissionen verringert werden. Bestimmten Mikroalgen haben ausserdem das Potenzial, die Methanfreisetzung durch Wiederkäuer zu reduzieren. Da die Proteine direkt auf dem Landwirtschaftsbetrieb produziert werden, entfallen ausserdem alle Emissionen, die mit dem Transport der Futtermittel (Import von Soja) verbunden sind.
Die Produktion von pflanzlichen Proteinen wird stark von der Klimaveränderung beeinflusst. Durch die Kultivierung in Photobioreaktoren ist die Proteinproduktion mit Mikroalgen unabhängig von klimatischen Bedingungen.
Ablauf
Das Algafeed-Projekt besteht aus mehreren Schritten.
In der aktuellen Phase wird die technische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit bewertet. Dabei liegt der Fokus auf folgenden Aspekten:
Auswahl der Mikroalgenarten: Kriterien für die Auswahl sind der Proteingehalt und die biochemische Zusammensetzung (Nährwert und Nährstoffe mit hohem Mehrwert wie Spurenelemente, Vitamine, Fettsäuren, als prä- und probiotisch anerkannte Stoffe usw.). Auch die Robustheit der Mikroalgen gegenüber extremen Kulturbedingungen ist ein wichtiges Kriterium, weil die Proteinproduktion ohne hohen Energieverbrauch durch eine Temperaturregulierung auskommen soll.
Entwicklung des Kultivierungssystems: Die Kultivierungssysteme werden im Hinblick auf eine möglichst hohe Produktivität der Kultur verbessert, u. a. durch Optimierung der Lichtzufuhr für die Kultur und durch die Verbesserung des Gasaustausches.
Optimierung der spezifischen Kultivierungsmethode, sodass die Abläufe auf den Landwirtschaftsbetrieb abgestimmt sind und die Nährwerte optimal für die Nutzung in Futtermitteln sind.
Auch die nachgeschalteten Prozesse werden optimiert, um eine gute Verdaulichkeit, Verabreichungsform und Haltbarkeit sicherzustellen.
Die Verdaulichkeit des entwickelten Produkts wird in In-vitro-Analysen mit dem INFOGEST-System getestet und es sind Appetenztests mit Tieren vorgesehen.
Sorgfältige und umfassende Bewertung der Umweltauswirkungen, der technischen Machbarkeit und der wirtschaftlichen Rentabilität.
Einheimische Mikroalgen aus einer Vielzahl von ökologischen Nischen werden gesammelt und in AlgoScope, eine Sammlung von Mikroalgen-Stämmen, aufgenommen.
Ziel ist es, Mikroalgen zu finden, die am besten an die heimischen Umweltbedingungen angepasst sind.
Die Zusammensetzung der gesammelten Mikroalgen wird analysiert, insbesondere hinsichtlich eines hohen Proteingehalts.
Anfang 2023 wurde das Projekt A'propos lanciert. Dessen Ziel besteht darin, Mikroalgenproteine mittels Nutzung von noch nährstoffreichen Nebenprodukten der Lebensmittelindustrie zu produzieren. So werden Flüsse, die normalerweise als Abfall gelten, wie z. B. Wasser aus Prozessen wie das Blanchieren von Kartoffeln oder Molke, für die Erzeugung von Mikroalgen-Biomasse eingesetzt, die wiederum als Tierfutter verwendet wird.
Dieses Projekt wird vom BAFU unterstützt und in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wirtschaft und dem halböffentlichen Sektor (Frigemo-Fenaco, Cotting et Fils SA und Ava Altenrhein) sowie mit der Zürcher Hochschule ZHAW durchgeführt.
Es werden Methoden zur Kultivierung von Mikroalgen vom Labormassstab bis zum Pilotmassstab (ca. 200 l) entwickelt.
Die Sammlung von Mikroalgen-Stämmen wird ständig erweitert und es werden robuste Kulturen entwickelt, die das ganze Jahr über verwendet werden können.
Der Rohproteingehalt von Mikroalgen kann bis zu 60 Massenprozent erreichen, der Proteingehalt von Sojabohnen liegt bei 36 Prozent. Pro Hektar und Jahr kann mit Mikroalgen im Vergleich zu Sojabohnen etwa 30 Mal soviel Protein produziert werden.• Eine mobile Anlage zur Produktion von Mikroalgen wird für Feldversuche und Demonstrationen zur Verfügung gestellt.
Es werden Methoden zur Konditionierung von Mikroalgenbiomasse entwickelt, um aus den Algen ein gut verdauliches und von den Tieren gerne angenommenes Futtermittel zu machen.
Schliesslich werden Tests zur Akzeptanz des Futters durch Schweine und Wiederkäuer durchgeführt.