Robert Baur: Die vielfältigen Ansprüche an die Landwirtschaft aufnehmen

Robert Baur

Sprachen seien nie sein Ding gewesen, sagt Robert Baur (1958) in einem hellen Dialekt, der auch nach über 20 Jahren Richterswil am Zürichsee immer noch sehr an das Schaffhausische erinnert. „In meiner Jugend lagen meine Interessen primär beim Sport, insbesondere beim Kunstturnen.“ Er wäre gerne noch einmal jung, denn es fasziniere ihn, wie heute die Physik fast ausser Kraft gesetzt werde. Sportlehrer sei eine echte Alternative gewesen bei der Berufswahl, aber eine Verletzung habe ihn dann doch zur Entscheidung veranlasst, Biologie zu studieren. „Und bereut habe ich diesen Entscheid bis heute nicht.“

Aufgewachsen ist Robert Baur im Zürcherischen Rafz, nur ein Steinwurf von der deutschen Grenze entfernt. Die Randlage präge die Leute schon sehr, meint Baur, „vielleicht wird gerade deshalb das Idyll so gepflegt.“ Der Vater arbeitete als Maschinenzeichner in einem örtlichen Betrieb, die Mutter besorgte den Haushalt. Dass Robert Baur als ältestes und auch einziges der vier Kinder studieren konnte, liegt wohl nicht zuletzt an seinem Primarlehrer. Er überzeugte seine Eltern von Roberts Talenten, so dass sie ihn in die eben eröffnete Kantonsschule nach Bülach schickten. Die Studienrichtung war schnell gesetzt, Biologie habe ihn immer gereizt. „So hat mich stets die Frage interessiert, wie Insekten unter Tausenden von Pflanzen ausgerechnet die eine als ihre Wirtspflanze auswählen.“

Nach der Dissertation im November 1989 zog er zusammen mit seiner Frau als Postdoc an die Cornell-University in Ithaca am südlichen Ende der Fingerlakes in New York State. „Es war eine sensationelle Zeit in dieser Kleinstadt mit ihrer Gross-Universität.“ Bis zur Geburt ihres ersten Sohnes arbeitete auch seine Frau in der gleichen Forschungsgruppe, die Fragen nach dem Geruchs- und Geschmackssinn von Insekten nachging. Die Zeit in den USA hat ihn nicht nur wissenschaftlich weiter gebracht, sie hat ihm auch spannende Einblicke in eine neue gesellschaftliche Welt geboten. „Wie hier ganz anders als in Europa über den ersten Irakkrieg berichtet wurde, ist mir schon eingefahren.“ Da habe er festgestellt, wie sehr die Medien die öffentliche Meinung beeinflussen können. Nach zwei Jahren war Schluss mit Cornell. Man habe ihm zwar angeboten, länger zu bleiben, aber der Lohn, den man in den USA als Postdoc erhalte, hätte nie gereicht, eine Familie durchzubringen.

Und ausgerechnet in dieser Zeit erreichte ihn ein Jobangebot aus der Forschungsanstalt Wädenswil. So befasste er sich am Zürichsee mit den Schädlingen und ihrem Pflanzenbefall. Bald wurde er mit der Aufgabe betraut, die praxisnahe Forschung auszubauen und das Wissen zuerst für Rebbau, ab 2004 für den Gemüsebau zugänglich zu machen. Ganz unterschiedliche Welten, sagt er, „denn Wein- und Gemüsebau liegen in verschiedener Hinsicht an entgegengesetzten Enden der landwirtschaftlichen Produktion.“ Hier über Jahrzehnte im Ertrag stehende Kulturpflanzen in naturnahen Ökosystemen, dort Betriebe mit einer Vielzahl von Kulturen, Ernten bereits wenige Wochen nach der Saat und immer der Druck, den Abnehmern perfekt aussehende Ware liefern zu müssen. Mit diesem Wechsel begann auch Robert Baurs Führungskarriere. Er habe, so gibt er zu, die Forschung nur zögernd verlassen. Es sei dann aber spannend und bereichernd gewesen, die Ausrichtung der Forschung auf die Bedürfnisse der Praxis mitzugestalten.

Mit seinem Wechsel zum Leiter des strategischen Forschungsbereichs Agrarökologie und Umwelt hat Robert Baur, der zum beruflichen Ausgleich gerne die Dolomiten erwandert, per 1. Januar 2017 nicht nur noch einmal sein Tätigkeitsfeld gewechselt, er findet sich zunehmend im Zentrum gesellschaftspolitischer Diskussionen zur Landwirtschaft. Er ist überzeugt, dass Agroscope für eine zukunftsträchtige Landwirtschaft unbedingt gebraucht werde, „unter der Voraussetzung, dass wir nicht abgehoben forschen, sondern die vielfältigen Ansprüche an die Landwirtschaft  aufnehmen. Da ist in aller erster Linie Erdung gefragt, Erdung, die Robert Baur als Trainier seines Seniorenturnvereins wöchentlich einmal holt.