Warum der Maiswurzelbohrer Mühe hat, sich in der Schweiz auszubreiten

Changins, 02.04.2009 - Der Maiswurzelbohrer Diabrotica v. virgifera LeConte (Coleoptera: Chrysomelidae) (MWB) kommt ursprünglich aus Zentralamerika und ist als Blattkäfer auf Mais spezialisiert. Dass sich der MWB zu einem der weltweit wichtigsten Schädlinge entwickeln konnte, ist ausschliesslich auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen. Erst der intensive Maisanbau in Monokultur hat es dem Käfer ermöglicht, sich so stark auszubreiten und zu vermehren, dass in den USA Schäden in Milliardehöhe entstanden sind. Die in den letzten Jahrzehnten stark zugenommene menschliche Mobilität hat es auch erlaubt, dass er den Sprung nach Europa und im Jahr 2000 auch in die Schweiz schaffte. Auf Grund seiner Gefährlichkeit gehört der MWB zu den Quarantäne-Organismen, deren Bekämpfung obligatorisch ist. Seit dem ersten Auftreten in der Südschweiz wurde der MWB von der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW nicht mehr aus den Augen gelassen.

Biologie
Der MWB gehört zu der Gattung der Blattkäfer, wie z. B. der Kartoffelkäfer und das Getreidehähnchen. Während auf dem amerikanischen Kontinent mehrere hundert Arten der Gattung Diabrotica vorkommen, wurde in Europa bislang nur Diabrotica v. virgifera entdeckt. Charakteristisch an den 5 - 6 mm langen Käfern sind die gelben Deckflügel mit zwei längsseitigen schwarzen Streifen. Grösse und Farbe können aber leicht variieren. Auffällig sind auch zwei fast körperlange, schwarze Fühler. Im Tessin wurde eine mittlere Flugperiode der Käfer zwischen Ende Juni bis Mitte September beobachtet. Der MWB bildet nur einen Generationszyklus pro Jahr. Die Lebensdauer der Käfer beträgt zwischen  30 - 45 Tage. Während dieser Zeit kann ein Weibchen in unseren Breitengraden bis zu 600 Eier in den Boden ablegen. Der Durchschnitt liegt aber tiefer und ist je nach Klima- und Bodenbedingungen sehr variabel. Die Eier überwintern im Boden in einer Tiefe von 5 - 30 cm und können je nach Klimabedingungen und Bodenbearbeitungsmassnahmen eine sehr hohe Mortalität aufweisen (95-99%). Die Larven schlüpfen im Mai und fressen sich an den vorhanden sein müssenden Maiswurzeln satt, bis sie nach einer 3 - 4 Wochen als ausgewachsene Käfer aus dem Boden kriechen.


Entwicklung in der Schweiz
Die ersten 4 Käfer wurden im Sommer 2000 in der Nähe des Flughafen Lugano - Agno entdeckt. Der Hauptherd befand sich aber, wie sich im darauffolgenden Jahr herausstellte, in der Region des Mendrisiotto, nahe der Grenze zu Italien. Seit seinem Auftreten werden die durch das eidgenössische Pflanzenschutzinspektorat angeordneten Massnahmen angewendet. Diese sehen einerseits die alljährliche Aufstellung eines Fallennetzes an ca. 200 Standorten in den Maisanbaugebieten vor und im Falle eines Fanges, eine einjährige Anbaupause im Umkreis von 10 Km des Fundortes einzuhalten. Diese Strategie hat es erlaubt, dass nach sporadischem Aufkommen von einzelnen Käfern auf der Alpennordseite eine mögliche Herdbildung zu verhindern. In der nahe gelegenen Lombardei wird auf eine konsequente Durchführung des Fruchtwechsels trotz z.T. massiver Präsenz von MWB Populationen aus ökonomischen Gründen verzichtet. Deshalb fliegen jährlich Käfer von Süden her ins Tessin. Der auf Kantonsebene obligatorische Fruchtwechsel verhindert die Entstehung von wichtigen Herden und verringert die Wahrscheinlichkeit das Käfer weiter nach Norden gelangen. Die Schutzwirkung der Alpenkette ist dabei ein zusätzliches Kriterium. In den letzten Jahren hat die Population auch im Tessin stagniert. Während im Spitzenjahr 2003 noch über 5'000 Käfer im Fallennetz gelangten, waren es letztes Jahr rund 770. Dieser massive Rückgang ist nur zum Teil auf die Fruchtwechselmassnahmen zurückzuführen, denn diese waren ja auch im Jahr 2003 mehrheitlich wirksam. Vielmehr sind diese Schwankungen auf die oben beschriebenen hohen Mortalitätsraten zurückzuführen, denn die Populationsdichten in der Lombardei sind in den verschiedenen Jahren denen im Tessin ähnlich. Interessant scheint aber, dass aber im Jahr 2003 noch ca. 60% der im Tessin gefangenen Käfer nördlich des Ceneri Passes gefunden wurden und im Jahr 2008 nur noch 4%. Dies bekräftigt die Hypothese, dass die im Tessin gefundenen Käfer jedes Jahr neu von Italien her migrieren. Tiefe Populationsdichten in der Lombardei haben einen Einfluss auf die Anzahl im Tessin gefangenen Käfer und auf die Flugdistanz vom Hauptherd.

 

Die Wirksamkeit des Fruchtwechsels
Agroscope ACW beobachtet seit 2003 die Entwicklung von MWB-Populationen anhand eines Vergleichsversuches zwischen einer Monokulturparzelle von Mais und 4 Fruchtwechselparzellen in der Region Mendrisiotto. Die gefangenen Käfer in der Monokulturparzelle haben in den 6 Jahren um das Zwei- bis Neunfache zugenommen. Nach drei Jahren Monokultur waren erste typische MWB Schadsymptome erkennbar. Die Maiswurzeln waren bis zu 50% geschädigt und 30% der Pflanzen hatten eine deutliche Lagertendenz. Danach blieben weitere Schadbeobachtungen aus. Auch die Populationen in der Monokulturparzelle waren von den klimatischen Bedingungen beeinflusst und wiesen erhebliche Schwankungen auf, in den letzten zwei Beobachtungsjahren konnte sogar eine Tendenz zur Abnahme festgestellt werden. Einem ungehinderten Anwachsen unter Monokulturbedingungen stehen andere limitierende Faktoren im Wege. Im Vergleich zu Fruchtwechselbedingungen bleiben die grossen Unterschiede zwischen den Populationen aber erhalten. Eine weitere interessante Beobachtung ist das um 2 - 3 Wochen spätere auftreten der Käfer unter Fruchtwechselbedingungen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Käfer von anderswo her migrieren müssen, und dies braucht Zeit.

Die Fruchtwechselstrategie ist im Ausland umstritten, weil in den Vereinigten Staaten mit der Einführung der Fruchtfolge Mais auf Soja eine MBW-Unterart selektiert wurde, die das Eiablageverhalten geändert hatte und Schäden an Fruchtwechsel-Mais beobachtet wurden. Auch existieren zwei weitere Diabrotica Arten, welche z.T. eine längere Diapause (Entwicklungsverzögerung) haben können und so das Sojajahr "überspringen" können. In der Schweiz ist der Fruchtwechsel komplexer und im Moment ist nur die Fruchtwechsel sensible Variante von Diabrotica zu beobachten. Eine solche Entwicklung ist in unseren Breitengraden, mindestens in naher Zukunft, nicht zu erwarten. Die in der Schweiz gemachten Beobachtungen sprechen für sich. Es gibt bis jetzt keine Anhaltspunkte, dass die seinerzeit vorgeschlagene Strategie geändert werden muss, Fruchtwechsel ist im Ackerbau schon vom Prinzip her eine förderliche Praxis, wenn er dann noch für die Bekämpfung eines Quarantäne-Organismus eingesetzt werden kann, umso besser. Es schont die Umwelt in hohem Masse und es wird viel Geld gespart. Für Agroscope ACW heisst es aber auch in Zukunft, die Entwicklung der MWB-Populationen nicht aus den Augen zu lassen.  


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Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW,
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