Neuer Schädling auf Tomatenkulturen

Changins, 30.07.2009 - Schon die wissenschaftliche Bezeichnung der Tomatenminiermotte "Tuta absoluta" klingt beinahe beunruhigend. Die Raupen dieses ursprünglich aus Südamerika stammenden Schmetterlings schädigen Blattwerk, Stängel und Früchte von Tomaten. Nachdem diese winzige Motte 2006 in Spanien und Marokko entdeckt wurde, ist der Schädling kürzlich in Italien, Frankreich, Holland sowie Grossbritannien und schliesslich auch im Juli 2009 in Genf beobachtet worden. In Mitteleuropa scheint der Import befallener Früchte aus dem Mittelmeerraum und nicht der Handel von Jungpflanzen die wichtigste Ursache für die aktuelle Ausbreitung der Tomatenminiermotte zu sein. Die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW fordert die Produzenten und die kantonalen Fachstellen für Gemüsebau daher dazu auf, wachsam zu bleiben.

Grosses Schadpotenzial

Dieser unscheinbare, 6-8 mm grosse, nachtaktive Schmetterling, mit schwarz gesprenkelten, grau-silbrigen Flügeln zählt zu den wichtigsten Schädlingen des südamerikanischen Tomatenanbaus. Pro Jahr kann das Insekt bis zu 12 Generationen durchlaufen. Die Weibchen legen ihre über 250 Eier einzeln unter Blätter, an Stängel und an die Kelchblätter der Früchte ab. Nach dem Schlupf dringen die grünlich oder rosa gefärbten Raupen in die verschiedenen Pflanzenorgane ein. In den Blättern fressen sie unregelmässige, in die Breite gehende Gänge, welche sich einfach von den feinen, linienartigen Gängen der Minierfliegen der Gattung Liriomyza unterscheiden lassen. Im Falle eines starken Befalles kann das gesamte Blattwerk vertrocknen. Entwickeln sich Miniermotten im Innern der Stängel, wird die Pflanze im Wachstum gestört, was zu einer Schwächung ihrer Widerstandskraft führt. Befallene Früchte sind unverkäuflich. Die Kelchblätter der Früchte sind verdorrt und die Fruchthaut ist an der Stelle, wo die Raupe herausgekrochen ist, zerlöchert. Das Loch hat nur einen kleinen Durchmesser von 2-3 mm, wodurch es sich vom Fruchtschaden der dickeren Raupe des Baumwollkapselwurms (Helicoverpa armigera) unterscheiden lässt. Voll ausgewachsene Raupen der Tomatenminiermotte sind 7.5 mm lang. Diese verpuppen sich für gewöhnlich im Boden, jedoch auch in den Blattminen und auf den Pflanzen. Die biologischen Merkmale des Schädlings, namentlich seine Fruchtbarkeit sowie die kurze Generationszeit, verleihen dem Insekte ein enormes Vermehrungspotential. Ein früher Befall kann in den betroffenen Kulturen zum kompletten Ausfall der Ernte führen. Die chemische Bekämpfung erweist sich als wenig effizient und zuverlässige biologische Bekämpfungsmethoden stehen gegenwärtig nicht zur Verfügung. Obwohl die Tomate die häufigstbefallene Kultur ist, kann sich die Tomatenminiermotte auch auf anderen Nachtschattengewächsen wie Kartoffeln, Aubergine und dem Schwarzen Nachtschatten (Solanum nigrum) entwickeln. Der Schwarze Nachtschatten ist ein weitverbreitetes Unkraut, welches der Schädling im Mittelmeerraum zwischen zwei Anpflanzungen aufsucht. Die Motte überwintert als Puppe im Boden oder im Grünabfall der Kultur.

Unterschiedliche Formen der Ausbreitung

Die ersten Befallsherde von Tuta absoluta ausserhalb von Südamerika wurden in mediterranen Tomatenkulturen entdeckt. Zuerst 2006 in Spanien, danach in Nordafrika, auf den Balearen, auf Korsika und in Italien. Auch wenn die Herkunft dieser ersten Schädlinge noch unbekannt ist, so wurden doch rasch weitreichende phytosanitäre Massnahmen eingeleitet, einschliesslich der Vernichtung befallener Kulturen. Dessen ungeachtet haben sich einige Motten auch ausserhalb der betroffenen Kulturen niedergelassen. Diese schwer zu kontrollierenden Befallsherde bilden nun den Ausgang für weitere Infektionen. In den betroffenen Gebieten können sowohl im Freiland- wie auch in Gewächshauskulturen neue Fälle beobachtet werden.

In Mitteleuropa, und insbesondere in der Schweiz, sind ausschliesslich Gewächshauskulturen gefährdet. Unsere Winter sind vermutlich zu streng, als dass der Schädling von einem Jahr zum anderen überleben kann. Eine Überwinterung ist nur denkbar, wenn in unseren Gewächshäusern ohne Unterbruch das ganze Jahr hindurch produziert würde. Diese Anbauweise wird bei uns jedoch nicht praktiziert. Aus diesem Grunde wird sich der Schädling in der Schweiz wohl nur saisonal festsetzen können. Ein Einschlepprisiko birgt die Einfuhr befallener Ware aus dem Süden, insbesondere der Import von kontaminierten Jungpflanzen und Früchten. Letzteres wurde erst kürzlich in einem holländischen Abpackbetrieb beobachtet, wo in einer Lieferung spanischer Tomaten erwachsene Miniermotten entdeckt wurden.

Erstnachweis in der Schweiz

Angesichts der Nachtaktivität und der Winzigkeit der Tiere sind Pheromonfallen, welche die Männchen anlocken, die geeignetste Methode, um ein allfälliges Vorkommen der Tomatenminiermotte nachzuweisen. Anfangs Juli hat der technische Verantwortliche des Genfer Gemüsebauverbandes mittels solcher Fallen das Vorkommen des Insekts erstmals in der Schweiz nachweisen können. Um eine grossräumigere Überwachung sicherzustellen, bringt die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW gegenwärtig Pheromonfallen in den grossen Schweizer Produktionsgebieten von Gewächshaustomaten aus. Angesichts des grossen Schadpotenzials des Insektes sind in der Europäischen Union und in der Schweiz Anstrengungen im Gange, die Miniermotte als Quarantäneschädling einzustufen. Da sich der Schädling aber dermassen schnell in Europa ausgebreitet hat, ist es jedoch zweifelhaft, ob rechtliche oder administrative Massnahmen eine Verbreitung über den gesamten Kontinent verhindern können. Die Gemüsebauern müssen daher darauf vorbereitet sein, rasch ausserordentliche präventive und kurative Massnahmen umzusetzen, welche die Bekämpfung des Schädlings verlangt. Die kantonalen Verantwortlichen und ACW-Fachleute werden die Entwicklung der Situation genau verfolgen und die Produzenten darin unterstützen, diesem neuen, pflanzenbaulichen Problem die Stirn zu bieten. In dieser Hinsicht raten wir den Tomatenproduzenten, alle Verdachtsfälle ihren kantonalen Fachstellen für Gemüsebau zu melden.

Fotos:

http://photos.eppo.org/index.php/album/219-tuta-absoluta-gnorab-


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