Gross T., Keller A., Müller M., Gubler A.
Agroscope Science, 123, 2021.
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Gesunde Böden sind für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und funktionierende Ökosysteme essenziell. Physikalische, chemische und biologische Abläufe sind im Boden eng verknüpft, und Böden übernehmen dadurch wichtige Funktionen in Wasser-, Nährstoff- und Kohlenstoffkreisläufen. Die Stoffbilanzierung von Böden ermöglicht es, stoffliche Gefährdungen der Bodengesundheit frühzeitig zu erkennen, deren Ursachen zu ermitteln und damit eine Grundlage zur Auswahl geeigneter Schutzmassnahmen zu schaffen. Die Stoffbilanzierung ist ein Instrument des indirekten Bodenmonitorings und ein wichtiger Bestandteil des Monitorings der Nationalen Bodenbeobachtung (NABO) der Schweiz. Vor diesem Hintergrund wurden Oberflächenbilanzen von Nährstoffen und Schwermetallen auf 46 landwirtschaftlich genutzten Parzellen des NABO-Messnetzes berechnet. Diese NABO-Parzellen befinden sich in verschiedenen Regionen der Schweiz und decken unterschiedliche Landnutzungen (Ackerbau, Grasland und Spezialkulturen) und Bewirtschaftungstypen ab. Die Böden dieser Parzellen werden seit 1985 regelmässig beprobt und untersucht. Zu-dem werden jährlich Daten zur Bewirtschaftung der Parzellen erhoben. Mithilfe dieser Bewirtschaftungsdaten wurden von 1985−2017 jährliche Oberflächenbilanzen für die Nährstoffe Stickstoff (N), Phosphor (P) und Kalium (K) und die Schwermetalle Kupfer (Cu), Zink (Zn) und Cadmium (Cd) berechnet. Als Einträge wurden Dünger und Pflanzenschutzmittel (PSM) und für Cu, Zn und Cd auch atmosphärische Deposition berücksichtigt. Als Austrag floss die Ernte in die Bilanzierung ein. Zudem wurden Einträge von Uran (U) durch P-haltige Mineraldünger berechnet. Nährstoffe wurden in dieser Arbeit zur Gegenüberstellung mit Schwermetalleinträgen als Düngerbilanzen berechnet, weshalb Einträge über die atmosphärische Deposition und N-fixierende Organismen nicht berücksichtigt wurden. Die Stoffbilanzen wurden nach Betriebstyp, Landnutzung und Hauptkultur eingeteilt und Unsicherheiten mittels einer stochastischen Methode quantifiziert. Die Mengen eingesetzter Dünger und PSM und geernteter Erträge wurden jährlich von den Bewirtschaftern (land-wirtschaftliche Betriebe) der Parzellen erfragt. Stoffkonzentrationen wurden aus zahlreichen Studien, vorwiegend aus der Schweiz, abgeleitet und für Hofdünger (Gülle und Mist) auf einigen der Betriebe beprobt (2006: 14 Betriebe und 2018: 30 Betriebe). Die atmosphärische Deposition wurde auf Basis publizierter Resultate des Nationalen Beobachtungsnetzes für Luftfremdstoffe (NABEL) geschätzt. Ein Grossteil der NABO-Parzellen wurde von kombinierten Veredlungsbetrieben (13 Parzellen) und kombinierten Betrieben mit Schwerpunkt auf Milchkühen und Ackerbau (11 Parzellen) bewirtschaftet. Weitere Parzellen waren auf Betrieben mit Fokus auf Rindviehhaltung (Milch- und/oder Rindvieh, 8 Parzellen), Ackerbau (5 Parzellen), Spezialkulturen (7 Parzellen) und mit diversen Betriebsfeldern (2 Parzellen). Insgesamt wurden 27 Parzellen ackerbaulich, 11 Parzellen als Grasland, sieben Parzellen als Spezialkulturen und eine Parzelle zunächst als Grasland und später ackerbaulich bewirtschaftet. Cu- und Zn-Einträge waren, ausser im Rebbau, mehrheitlich auf die Anwendung von Hofdüngern zurückzuführen. Beide Schwermetalle sind essenzielle Mikronährstoffe und gelangen durch Futter und Futtermittelzusatzstoffe über das Verdauungssystem der Nutztiere in Gülle und Mist. Cu- und Zn-Einträge auf die Parzellen waren signifikant mit der Anzahl Nutztiere pro landwirtschaftliche Nutzfläche auf dem jeweiligen Betrieb korreliert, was mit grösseren Hofdüngergaben bei grösserer Nutztierbestockung erklärt werden kann. Auf Parzellen, welche von kombinierten Veredlungsbetrieben bewirtschaftet werden, betrugen die Mediane jährlicher Nettoflüsse von 1985-2017 rund 90 g Cu pro Hektar und Jahr (g Cu ha-1 a-1) und 405 g Zn ha-1 a-1. Auf Betrieben mit grossem Tierbesatz erreichten die Mediane bis zu 400 g Cu ha-1 a-1 und 950 g Zn ha-1 a-1. Die höchsten Cu-Nettoflüsse wurden jedoch auf Rebbauparzellen mit Medianen zwischen 1'400-2'400 g Cu ha-1 a-1 aufgrund von PSM-Anwendungen festgestellt. Cu- und Zn-Nettoflüsse waren auf intensiv genutzten Graslandparzellen positiv mit einem Median von ca. 80 g Cu ha-1 a-1 und 370 g Zn ha 1 a-1 aufgrund von Hofdüngerausbringung, während sie auf extensiven Graslandparzellen ungefähr ausgeglichen waren. Im Gegensatz zu Cu und Zn waren Cd-Einträge bei intensiverem Mineraldüngereinsatz höher. Cd kam mehrheitlich durch Mineraldünger und bis 2006 auch via Klärschlamm auf die Böden. Auf Parzellen mit geringem Mineraldünger- und/oder Klärschlammeinsatz war die atmosphärische Deposition die wichtigste Cd-Quelle. Mediane jährlicher Cd-Nettoflüsse bewegten sich auf allen Parzellen zwischen -0.6 und 3.2 g Cd ha-1 a-1. Während bei den Cu- und Zn-Nettoflüssen insgesamt über die Zeit keine Abnahme feststellbar war, so nahmen die Cd-Nettoflüsse von Ende der 1980er- bis Mitte der 1990er-Jahre stark ab und veränderten sich seither wenig. Diese Abnahme war auf rückläufige Mineraldüngereinsätze sowie eine Reduktion der atmosphärischen Deposition im gleichen Zeitraum zurückzuführen. Auf Parzellen mit intensiver mineralischer P-Düngung und mit hohem natürlichen Cd-Gehalt im Boden ist trotzdem eine Akkumulation über die Zeit nicht auszuschliessen. Für U bewegten sich Mediane jährlicher Einträge über P-haltige Mineraldünger zwischen 0 und 25 g U ha-1 a-1 und Einträge bis ca. 50 g U ha-1 a-1 kamen insbesondere im Ackerbau und auf Spezialkulturen regelmässig vor. Für Hofdünger liegen derzeit nur wenige U-Konzentrationsdaten vor und dieser Eintragspfad ist im Vergleich zu Mineraldüngern eher gering. Die parzellenbezogenen Schwermetall-Nettoflüsse wurden mithilfe des an diesen Standorten gemessenen Raumgewichts des Oberbodens (0-0.2 m) in theoretische Akkumulationsraten pro Jahrzehnt umgerechnet. Die Akkumulationsraten lagen für 11 (Cu), 13 (Zn) bzw. zwei (Cd) der 46 Parzellen im Bereich von ≥ 1% des jeweiligen Richtwerts; die Resultate deuten in diesen Fällen auf eine relevante jedoch relativ langsame Akkumulation über die Zeit hin. Für U wurde bisher kein Richtwert definiert. Wie schnell die Richtwerte in Böden effektiv erreicht werden, hängt auch von deren Nutzungsgeschichte und natürlichen Bodengehalten ab. Die Resultate dieses Berichts bilden eine Ausgangsbasis zum Vergleich mit Bodenmesswerten. Die Unsicherheiten der Oberflächenbilanzen bewegten sich von 15% bis zu einem mehrfachen des Bilanzierungs-wertes und waren im Median zwischen 45% und 105% des Bilanzierungswertes je nach Nährstoff bzw. Schwermetall. Die Unsicherheiten waren wesentlich geprägt durch Nährstoff- und Schwermetallkonzentrationen in den biogenen Stoffen Hofdünger und Erntegut. Unsicherheiten bestehen auch bei den Cd- und U-Gehalten in Mineraldüngern. Eine Marktkampagne des Bundesamts für Landwirtschaft zeigte, dass mehr als ein Drittel der beprobten Dünger den geltenden Cd-Grenzwert überschritt. Abschliessend lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse auf eine weitere Cu- und Zn-Anreicherung in Böden von Betrieben mit grosser Tierdichte bzw. intensiver Hofdüngerausbringung hindeuten. Zudem ist auf Rebbauparzellen durch die regelmässige Anwendung kupferhaltiger PSM von einer weiteren Cu-Anreicherung auszugehen. Ergebnisse aus Stoffbilanzierungen und Bodenmesswerten über mehr als 30 Jahre bieten eine schweizweit einzigartige Grundlage, um die Konzentrationen im Boden in den Kontext der Bewirtschaftung zu stellen, und damit einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung, Prognose und Risikoabschätzung von Stoffanreicherungen.
ISSN en ligne: 2296-729X
Digital Object Identifier (DOI): https://doi.org/10.34776/as123g
ID publication (Code web): 46682 Envoyer par e-mail