Liebefelder Milchtagung: Aufschlussreiche Einblicke in aktuelle Forschungsarbeiten

Liebefelder Milchtagung 2020

An der diesjährigen Liebefelder Milchtagung vom 21. Januar 2020 trafen sich über 50 Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Milchbranche, um sich über neue Erkenntnisse aus der Forschung und über aktuelle Herausforderungen auszutauschen. Organisiert wurde die jährlich stattfindende Tagung von Agroscope und der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL.

Die Liebefelder Milchtagung bot ein vielfältiges Programm mit Einblicken in verschiedene Forschungsarbeiten sowie in die Herausforderungen der Milchbranche und stiess auf grosses Interesse: Über 50 Fachleute durften Elisabeth Eugster, Abteilungsleiterin Food Science & Management der HAFL, und Fabian Wahl, Leiter des Agroscope-Forschungsbereichs Mikrobielle Systeme von Lebensmitteln, dieses Jahr begrüssen. Forscherinnen und Forscher von Agroscope und der HAFL präsentierten die Erkenntnisse aus ihren Forschungsprojekten – im Fokus standen Milchprodukte und deren Einfluss auf eine gesunde Ernährung des Menschen.

Von Joghurt über Käse bis zur Molke: Neue Forschungserkenntnisse

Barbara Guggenbühl und Helena Stoffers, Agroscope, zeigten etwa in einer Studie in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), dass stille relative Zuckerreduktionen ohne Süssekompensation von 10-15% in Erdbeerjoghurt und 7-10% in Mokkajoghurt möglich sind, ohne dass Konsumentinnen und Konsumenten Notiz davon nehmen. Noch stärkere Zuckerreduktionen sind mit einer Aroma-Abnahme verbunden. Mildsäuernde Kulturen ergaben bei gleichem Zuckerzusatz ein höheres Süsse- und Aroma-Empfinden. Weitere technologische Massnahmen zur Kompensation von tiefen Zuckerzugaben wurden vorgeschlagen.

Ernst Jakob, Agroscope, zeigte in einer Agroscope-BLV-Studie, dass Jod entgegen früheren ausländischen Untersuchungen ins Käseinnere migriert. Die Verwendung von jodiertem Salz ist auch kein Handelshemmnis, sondern für die Käseherstellung im Interesse der Jodversorgung der Bevölkerung zu empfehlen. Allerdings ist zu beachten, dass Jod deklariert werden muss.

Noam Shani, Agroscope, demonstrierte die Komplexität und Reichhaltigkeit des Ökosystems Rohmilchkäse, indem er die genetische Untersuchung von bakteriellen Gemeinschaften in 21 Rohmilchkäsen Raclette du Valais AOP mit der chemischen, biochemischen, sensorischen, rheologischen und Aromastoff-spezifischen Untersuchung aller Käse verknüpfte. Er konnte daraus Zusammenhänge zwischen spezifischen Bakterien-Spezies und Qualitätsmerkmalen ableiten, die zu neuen Hypothesen führen.

Katrin Kopf und Ihr Team an der HAFL arbeiten daran, in der Schweiz die Nutzung von Molke für die menschliche Ernährung, die bisher nur bei ca. 25% liegt, zu erhöhen. Die Beherrschung der Laktose-Kristallisation von unterschiedlicher Molke aus den dezentralen Dorfkäsereien ist dazu ein entscheidender Schritt. Der Einsatz von Impflaktose beschleunigt die Kristallisation und erhöht die Pulverlöslichkeit signifikant. Riboflavin in der Molke hemmt die Kristallisation gehaltsabhängig. In Zukunft arbeitet HAFL auch an der Molkenproteinpulver-Technologie.

Basiert auf Datenverknüpfungen von Konsumentenbefragungen, Beliebtheitstests bei Konsumentinnen und Konsumenten sowie der deskriptiven sensorischen Untersuchung im Fachpanel zu Rohmilch-Hartkäse fand Charlotte Bourcet, HAFL, für den Schweizer Markt heraus, dass je nach Zielgruppe unterschiedliche Käse bevorzugt werden. Die eine Hälfte bevorzugt stärker gereifte Varianten, die andere Hälfte die weniger gereiften. Diese Ergebnisse liefern die Grundlage für die Entwicklung einer angepassten Marketing-Strategie.

Internationale Programme für eine höhere Nachhaltigkeit

Ein weiterer Programmpunkt war der Blick auf die weltweiten Herausforderungen der Milchbranche und die Kernthemen des World Dairy Summits des internationalen Milchwirtschaftsverbandes IDF, der 2019 in Istanbul stattfand. Walter Bisig, Leiter Fachstelle IDF/Codex und Andreas Aeschlimann, National Secretary IDF Schweiz, deren Funktionen durch die Schweizerische Milchkommission und Agroscope getragen werden, informierten darüber: Beim internationalen Milchwirtschaftsverband richten sich die Arbeiten nach den Strategischen Entwicklungszielen SDG (Sustainable Development Goals) der UNO aus. Die Branche arbeitet an der Erhöhung der Nachhaltigkeit wie Andreas Aeschlimann anhand der Programme diverser Länder zeigte. Verbesserungen sind weiter nötig. Um Pflanzenextrakten, welche als Milch-Alternativen vermarket werden, ihren richtigen Platz in der Ernährung zuzuweisen, muss die Milchbranche die gesunden Werte von Milch- und Milchprodukten noch stärker kommunizieren und ihre Anstrengungen im Bereich Tierwohl verstärken. Diverse Milchprodukte sind aufgrund von Zuckerzugaben oder vielen Verarbeitungsschritten als «Ultra processed Foods» (UPF) klassifiziert. UPF werden in der Ernährungsforschung als Verursacher von Übergewicht und Fettleibigkeit gesehen. Die Klassifizierungskriterien will IDF auf eine wissenschaftliche Basis stellen. Walter Bisig zeigte auf, warum Laktose in der Nährwertdeklaration nicht gleich wie Saccharose behandelt werden soll. Der Einfluss der Milchverarbeitung auf die Sättigung ist vermehrt zu beachten.

Fabian Wahl informierte zudem im Rahmen der Tagung über den aktuellen Stand des Zukunftsprojektes Agroscope. Zum Abschluss wurden in den beiden Agroscope-Foren «Milchverarbeitung» und «Ernährung» drei aktuelle Forschungsthemen besprochen.

 

Aktuelle Forschungsprojekte

Als Grundlage für das Arbeitsprogramm 2018-2021 hat Agroscope 17 strategische Forschungsfelder (SFF) umschrieben, die sich an den Herausforderungen der Land- und Ernährungswirtschaft orientieren. Dazu gehören unter anderem:

Proteinversorgung von Mensch und Tier optimieren

Die Mikrobielle Biodiversität für die Land- und Ernährungswirtschaft nutzbar machen

Für sichere Lebensmittel mikrobielle Risiken und Antibiotikaresistenz senken

Qualität und Produktinnovationen von Lebensmitteln fördern

Letzte Änderung 05.02.2020

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