Mehr Wurzelkohlenstoff in extensiven Anbausystemen – Treibhausgasinventar wird optimiert

Zürich-Reckenholz, 07.01.2021 - Böden besitzen grosses Potenzial, CO2 aus der Atmosphäre in Form von Kohlenstoff zurückzuhalten und damit die globale Erwärmung zu mildern. Agroscope-Forschende konnten nun zeigen, dass in extensiven Anbausystemen deutlich mehr Kohlenstoff über Pflanzenwurzeln in den Boden gelangt als bisher angenommen. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurden die Schätzgrössen für das nationale Treibhausgasinventar angepasst.

Mit dem Treibhausgasinventar überprüft der Bund, ob die Schweiz mit den CO2-Reduktionsvorgaben auf Kurs ist. Böden spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen. Die Wurzeln von Kulturpflanzen bilden die bedeutendste Quelle für organischen Bodenkohlenstoff in Ackerböden. Diese Einträge werden im Treibhausgasinventar auf der Basis der oberirdischen Biomasse abgeschätzt. Bisher ging man davon aus, dass die Kohlenstoffeinträge über die Wurzeln zunehmen, je mehr oberirdische Biomasse gebildet wird. Das bedeutet: Für intensive Anbausysteme mit hohen Erträgen nahm man höhere Kohlenstoffeinträge an als für extensive Systeme wie dem biologischen Ackerbau.

Langzeit-Feldversuche widerlegen bisherige Annahmen

Agroscope hat diese Annahmen nun wiederlegt. Forschende untersuchten in zwei ihrer bedeutendsten Langzeitversuche, dem DOK-Versuch* und dem ZOFE*, die unterirdischen Kohlenstoffeinträge von Mais und Winterweizen. Die Kohlenstoffeinträge sind die Summe des Kohlenstoffs, der einerseits über die Wurzeln selbst und andererseits über Wurzelausscheidungen dem Boden zugeführt wird. Überaschenderweise blieben die unterirdischen Kohlenstoffeinträge in beiden Kulturen konstant, obwohl die oberirdische Biomasse bis zu einem Faktor von 3.5 variierte. Das biologische Verfahren im DOK-Versuch hatte im Mais bei 20% geringerer oberirdischer Biomasse sogar ein Drittel höhere Kohlenstoffeinträge über Wurzelausscheidungen als der konventionelle Anbau.

Als Quintessenz kann man somit sagen, dass dem Boden im biologischen Anbau im Verhältnis zur oberirdischen Biomasse mehr Kohlenstoff über Wurzelbiomasse und Wurzelausscheidungen zugefügt wird als im intensiven Ackerbau.

Feldstudien auf Praxisbetrieben bestätigen Modellstudien

Die Ergebnisse einer weiteren umfangreichen Studie auf 24 Landwirtschaftsbetrieben in der Schweiz bestätigten die Erkenntnisse aus den Langzeitversuchen. Die Weizenerträge auf den Biobetrieben waren zwar um ein Drittel geringer als unter konventioneller Bewirtschaftung, die Wurzelbiomasse jedoch um 40% höher. Die Ergebnisse unterstreichen das Potenzial extensiver Systeme wie dem biologischen Landbau, vermehrt Kohlenstoff über die Wurzeln in den Boden einzubringen und dadurch den Klimawandel zu mildern.    

Anpassung im Treibhausgasinventar

Aufgrund dieser Erkenntnisse von Agroscope wurden die Schätzgrössen im Modell zur Berechnung des Treibhausgasinventars angepasst. Mit dem Treibhausgasinventar wird überprüft, ob die Schweiz mit den internationalen und nationalen Reduktionsvorgaben gemäss Kyoto-Protokoll und CO2-Gesetz auf Kurs ist. Dabei spielen auch die CO2-Emissionen oder die CO2-Aufnahme der Böden eine bedeutende Rolle. Beides lässt sich durch die landwirtschaftliche Nutzung beeinflussen. Da sich die Kohlenstoffeinträge über die Wurzeln nicht grossflächig messen lassen, wurden sie für Getreide bisher auf der Basis der oberirdischen Biomasseerträge geschätzt.

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Publikation der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Agroscope-Forschenden wurden im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden, NFP68» erarbeitet und in folgenden renommierten Wissenschaftszeitschriften publiziert:

·         «Agriculture Ecosystems and Environment»
(DOI: 10.1016/j.agee.2018.07.010, Link https://doi.org/10.1016/j.agee.2018.07.010)

·         «Science of the Total Environment»
(DOI: 10.1016/j.scitotenv.2020.143551, Link https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2020.143551)

*Hintergrundinformationen zu den Versuchen

Agroscope untersuchte die unterirdischen Kohlenstoffeinträge von Mais und Winterweizen in zwei Langzeit-Feldversuchen mit unterschiedlichen Bewirtschaftungsintensitäten. Die Versuche repräsentieren unterschiedliche Schweizer Ackerbaustandorte:

·         der DOK-Langzeit-Systemvergleich vergleicht seit 1978 biologische und konventionelle Anbausysteme (Therwil, BL)

·         das Zurich Organic Fertilisation Experiment (ZOFE) wurde 1949 gestartet und ist der älteste Langzeitversuch der Schweiz (Zürich, Reckenholz)

In der umfangreichen Praxisstudie wurden auf 24 Landwirtschaftsbetrieben im Grossraum Zürich Wurzeleinträge von Winterweizen bestimmt. Die Betriebe waren in drei Gruppen unterteilt:

·         konventionelle Gemischtbetriebe

·         konventionelle Betriebe mit konservierender Bodenbearbeitung

·         Biobetriebe


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